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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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Sitzleder unter.« Das war eine Abkühlung, deren der gute
Louis
aber nicht bedurft hätte, denn es war mit der Wanderung nach
Paris
nicht so ernst. Noch ehe der väterliche Brief an ihn kam, hatte ihn die gute Mutter bereits wieder durch eine Sendung Kuchen fürs schwäbische Vaterland gewonnen. Wie er sich durch das Älterwerden abkühlte und ein sanfter Hirte christlicher Herden wurde, auch geliebt von allen, die ihn kennen lernten, wird man später erfahren.
     
Mein Bruder Karl
     
    Mein Bruder
Karl,
geboren den 7. März 1775, kam in seinem zwölften Jahr in die Karlsakademie und zwar zum Studium der Militärwissenschaften bestimmt, bei welchem er fest und treu verblieb. Er war von großem schlanken Körperbau mit einem schönen Ebenmaß im Gesichte und einer Würde ohne Steifheit in seinem ganzen Betragen. Sein fleißiges Studium der Militärwissenschaften, besonders aber der Mathematik, gab ihm mehr Ruhe, Ernst und Besonnenheit. Wie bei den meisten Schülern der Karlsakademie, bemerkte man auch an ihm vielseitige Bildung.
    Wie die Mathematik in alles Wissen eingreift, so ging er auch an ihrem Faden allem Wissen nach, und so bildete er sich nicht bloß zum Kriegsmanne, sondern auch zum Mechaniker, zum Bergmanne, zum Ökonomen und zum Staatsmanne aus, worauf ich später zurückkomme. Nach dem Tode Herzog Karls löste sich die Karlsakademie auf, denn sie konnte auch nur durch und mit ihrem Schöpfer bestehen, der mit Leib und Seele ihr eigener Direktor war. Die Lehrsäle wurden Stallungen und: »Olim musis nunc mulis!« schrieb ein Satiriker an ihre Tore.
    Die Zöglinge, die sich bei ihrer Aufhebung noch in ihr befunden hatten, wie mein Bruder
Karl,
zerstreuten sich nun in alle Welt, und mein Bruder kam zur Fortsetzung seiner militärischen Studien nach
Darmstadt,
wo er den Unterricht alter erprobter Ingenieure genoß. Am 1. Oktober 1794 trat er als Unterleutnant in die herzoglich-württembergische Artillerie. – So viel von meinen Brüdern aus den Jahren neunzig und etlich und neunzig.
     
Die französischen Emigranten in Ludwigsburg und mein weiteres Knabenleben daselbst
     
    Bald nach Herzog Ludwigs Tode wurde Ludwigsburg eine Zeit lang durch eine Menge französischer Ausgewanderter wieder lebhaft. Es befanden sich unter ihnen viele in ihrem Vaterlande einst hochgestellte Männer und Frauen.
    Nach und nach erschienen in Ludwigsburg und in Stuttgart Prinz
Condé,
Prinz
Conti Duc de Bourbon, Duc d'Enghien
(der im Jahre 1804 in Ettenheim verhaftet und in Vincennes erschossen wurde), eine Duchesse
de Liancourt,
eine Äbtissin von
Nemiremont,
ein himmellanger Mann, von dem es hieß, er sei der Erzbischof von Paris, mit einem Zuge von Geistlichen und Pfaffen, Graf
Artois,
Comte
Castelneau.
Dieser lebte lange in Ludwigsburg und kehrte nach Zernichtung der Emigrantenliste in sein Vaterland zurück. Charles
Droullin,
der unter dem Namen
Jonque
Unterricht in der französischen Sprache erteilte, Graf
Großorti,
ein Mann von ausgezeichneter Schönheit, der im österreichischen Regimente Hohenzollern Kürassierdienste nahm, Abbé
Colle
und Abbé
Noussel
aus Metz und Nancy, die die Ludwigsburger Jugend auch in der französischen Sprache unterrichteten.
    Im April (1793) logierte Philipp
Egalité
der Jüngere (Exkönig Philipp) mit General
Dumouriez
einige Tage zu Ludwigsburg im Gasthofe zur Kanne. Alles lief dahin sie zu sehen. Sie wollten den Herzog zu Hohenheim besuchen, der sie aber aus Furcht vor den damaligen Machthabern Frankreichs nicht annahm. Mein Vater hatte mit ihnen, da er der französischen Sprache sehr mächtig war, besonders aber auch als Oberbeamter, vielen Umgang.
    Ich erinnere mich noch mancher schönen Frauengestalt aus jener Zeit, die unser Haus besuchte, die freundlich gegen mich, den Knaben war, deren Mienen wohl, aber deren Sprache ich nicht verstand.
    Vor allem blieb mir ein Mädchen von ungefähr sieben Jahren im Gedächtnis, das die feinsten Züge an sich trug, immer ganz weiß gekleidet war und ein schwarzes Samtkäppchen auf den blonden Haaren trug. Eine schwarz gekleidete Dame war seine Begleiterin. Ich wurde öfters zu ihnen geschickt, sie aus dem Gasthofe, in dem sie wohnten, ins elterliche Haus zu rufen, was mir immer Freude machte. Aber bald durfte ich dieses nicht mehr. Das Mädchen war vom Scharlachfieber befallen worden und in wenigen Tagen eine Leiche. Meine Betrübnis war sehr groß, und ich blickte den Blumen, die die Mutter ihm zu seinem Sarge sandte, mit Tränen nach, weil man mich

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