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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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erwiderte
Sprößer,
sehen Sie sich die Sache nur einmal an; ich habe mit dem Herrn ein kleines Geschäft abzumachen, er hat auch einen Lehrling aus Ludwigsburg, den ich ihm vor einem Jahr zusandte und der bald aus der Lehre treten wird; es ist ein junger
Blaufelder,
den Sie ja wohl noch kennen werden, und da unterhalten Sie sich mit ihm, bis das Geschäft abgetan ist. Hat Herr
Speck
noch nicht zu Mittag gegessen, so speisen wir mit ihm.
    Dem guten
Louis
war da der Mut, den Stand eines freien Kaufmanns zu wählen, schon sehr gefallen, aber er fiel bald noch tiefer. Herr
Speck
war gerade im Begriff zu Tische zu gehen und lud Herrn
Sprößer
und seinen Schützling dazu ein. Da kam auch der Lehrling
Blaufelder,
ein alter Schulkamerad des
Louis,
aber nicht als Tischgenosse, sondern er stellte sich demütig hinter den Sessel des Herrn Prinzipals und servierte in aller Unterwürfigkeit, hatte auch nicht das Herz in
Louis
seinen alten Kameraden zu begrüßen, – das geschah erst, nachdem das Essen vorüber, die Herren sich entfernt und er das Speisegeräte wieder abgetragen und den Tisch in Ordnung gebracht hatte. Da erfuhr nun auch
Louis
von ihm, wie hart seine Lage, und sah es an den hochaufgeschwollenen, roten, mit offenen Frostbeulen besetzten Händen, und als er ihm des Herrn
Speck
lackierte Stiefel zeigte, die er jeden Morgen zu glätten, und die Salz- und Farbfässer, die er auszuklopfen hatte, – so nahm der gute
Louis,
noch während Herr
Sprößer
sein kleines Geschäft mit Herrn
Speck
im Komtoir abmachte, den Reißaus, wanderte über die Mainbrücke ohne Sack und Pack mit ein paar Gulden in der Hosentasche, und kam zwei Tage früher als Herr
Sprößer
zu Fuß und ganz erschöpft, unter den Arkaden zu Ludwigsburg an. Den ersten Hunger ließ er sich von dem Hökerweibe, das immer der Oberamtei vis à vis an der Bischöfischen Apotheke mit Bäckerwaren und Obst saß, auf Rechnung der Mutter stillen, und wollte lange sich vor dem Vater nicht zeigen, als ihn die vorübergehende Frau Bürgermeister
Kommerell
erblickte, ihn über seine Reise verhörte und die ganze Geschichte nun eilends dem Vater hinterbrachte, der über den Erfolg, den er bezweckt hatte, sehr froh war und nur den Herrn
Sprößer
bedauerte, von dem schon ein lamentabler Brief vorausgeeilt war, mit der Nachricht, daß ihm der Herr
Louis
in Frankfurt auf einmal entkommen sei.
    Die Vakanz war gerade aus, und
Louis
kehrte mit den besten Vorsätzen wieder in das Stift nach Tübingen zurück. Von da an sprach er auch nicht mehr davon, das Studium der Theologie verlassen zu wollen, bis durch die immer größer werdende Aufreizung, die die französische Revolution dazumal in alle Gemüter, besonders auch in die der Jugend brachte, ein neuer Aufruhr in ihm entstand.
    Er war von Bewunderung seines Bruders Georg stets durchdrungen, staunte ihn hoch an und wünschte nur immer, auch ein freier Weltbürger werden zu können. Er schrieb ihm oft nach Paris und klagte über den Vater, der den Geist der Zeit nicht zu fassen wisse. »Hier im Stift (schrieb er ihm) wird die ganze Größe der französischen Revolution schon lang begriffen. ›Die Erde rauche von Tyrannenblut‹, das ist aller Losung; in dreifarbigen Kokarden reisen wir in die Vakanz, und ›vive la liberté!‹ ruft der eine, begegnet er dem Freunde, und dieser antwortet: ›vive la Nation!‹« Dem Vater aber schrieb er: »In dem Kerker dieses theologischen Stiftes schmachte ich nicht länger mehr. Die Zeit ist herangekommen, wo ein jeder ein freier Weltbürger ist. Ich habe mir einen Büchsenranzen gekauft, in diesen werde ich Kants Schriften packen und mit ihnen nach Paris wandern. Haben Sie was dagegen, so verstehen Sie den Zeitgeist nicht. Vive la liberté, vive la Nation!«
    Die Antwort des Vaters war: »Du bist ein lächerlicher Junge. In
Paris
würde es Dir ergehen, würdest Du die Köpfmaschine sehen, wie es Dir in Frankfurt erging, als Du Herrn
Specks
schmutziges Ölfaß sahest. Jedenfalls meine ich, Du solltest, ehe Du in
Paris
einziehest, auch noch etwas mehr Französisch lernen als: vive la liberté, vive la Nation! und dabei würde ich den
Kant
lieber zu Hause vornehmen: denn in
Paris
möchten sie Dir keine Zeit dazu lassen und Dir Deinen leeren Kopf noch, ehe er sich mit Herrn
Kant
angefüllt, herunterschlagen. Du bist ein fauler Geselle, der keine harte Bretter bohren will. Den Büchsenranzen, den Du erkauft, will ich bezahlen, lege Dir ihn jetzt nur beim Studieren als das fehlende

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