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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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nicht mit ihnen gehen ließ.
    Dieses weiße Mädchen ist mir oft später noch in
Träumen
ganz wie es lebte vorgekommen, und hat für mich heute noch etwas mysteriöses Heiliges. Noch erinnere ich mich einer Gräfin
Bouaclareau.
Diese wohnte in dem väterlichen Hause unseres Dichters Eduard
Mörike,
der Kanne gegenüber, spielte die Harfe und begleitete sie oft noch in stiller Nacht mit den Tönen eines klagenden, tief eindringenden Gesanges. Da war unser Dichter noch nicht geboren, mich aber zog damals als Kind die romantische Erscheinung dieser Frau und ihres Gesanges oft zum Hause seiner Geburt hin. Die Emigranten hatten ein eigenes Spiel mitgebracht, das bald in ganz Ludwigsburg und Stuttgart zur Mode wurde; das waren die sogenannten Joujous, Rädchen, die durch eine geschickte Schwingung an einer seidnen Schnur auf und ab liefen. Auf allen Spaziergängen begegnete man Herren und Damen, die dieses Spiel trieben, ja, selbst aus den Fenstern der Häuser rollten diese Rädchen auf und nieder. Man sah sie von Holz, von Elfenbein, von Stahl; und es wurde sogar zuletzt ein Luxus mit in sie eingelegten Steinen und andern Verzierungen getrieben. Dies war nun auch ein erwünschtes Spiel für uns Kinder und blieb mir eine so liebe Erinnerung, daß ich noch jetzt im 60. Jahre einen Joujou mit Vergnügen auf und nieder treibe. Der Aufenthalt vieler reicher Emigrés zog damals auch manche Schauspieler und Künstler, wie z.B. auch Seiltänzer, englische Reiter und einen Besitzer komödiespielender Hunde herbei. Diesem Manne wurde das Theater im Schlosse eingeräumt, und wir Kinder vergnügten uns am Spiele dieser Tiere natürlich viel mehr, als an dem der belobtesten Schauspieler; ja, es kam durch die lange Anwesenheit dieser Hundekünstler so weit, daß die Kinder zu Hause und unter den Arkaden des Marktplatzes und in den Alleen wie jene Hunde gingen, tanzten und bellten, und ihnen noch lange diese Unart, trotz aller Rüge der Eltern und Schullehrer, blieb. Ein Fremder, der damals nach Ludwigsburg kam, ohne die Veranlassung zu solcher Gewohnheit der Kinder zu wissen, muß geglaubt haben, es bewohne diese Stadt ein Völklein von ganz eigener Abstammung.
    Auch Aventuriers versuchten in jener Zeit in dieser Stadt ihr Glück – und es ist jetzt unbegreiflich, aber gewiß, daß einmal ein solcher mit der Annonce erschien: er werde auf den Abend im Schloßtheater ein Kanonenkonzert geben. So viel ich mich erinnere, spiegelte er vor: durch Losschießen kleiner Kanonen von verschiedenem Kaliber Melodien hervorzubringen. – Alles strömte in das Theater, und der Künstler sammelte ein gutes Entrée ein. Als man ins Parterre und in die Logen trat, war natürlich der Vorhang noch gefallen, allein er zog sich nie auf; der Betrüger war mit der Kasse bereits über die Mauern der Stadt, bevor die Menge einsah, daß sie wirklich betrogen worden. Ein redlicherer Unterhalter des Publikums war damals ein Herr
Enslin,
welcher seine kunstreichen Automaten aufs Theater brachte und in dem Schloßgarten Ritter auf Rossen und eine ganze wilde Jagd von Tieren und Jägern sich in die Luft erheben und unter den Wolken verschwinden ließ. Noch erinnere ich mich auch aus dieser Zeit eines armen Emigrierten, welcher nebst andern Kunstgebilden, die er selbst verfertigte, eine Dose vorzeigte, unter deren überglastem Deckel zwei sich bewegende, ganz wie lebendige, Figürchen sich befanden; es war ein junges Mädchen, welches von dem weißen Barte eines alten Einsiedlers herabspann. Das Bildchen sah unsäglich fromm aus und blieb mir bis heute noch ganz farbig im Gedächtnisse.
     
Weiteres Leben um jene Zeit
     
    Meine drei Brüder, die sich nun alle auswärts befanden, sah ich wenig mehr, dagegen war meine jüngste Schwester
Wilhelmine,
die aber auch einige Jahre älter war als ich, meine Gespielin und Teilnehmerin an meinem Unterricht. Den Unterricht in der deutschen Sprache gab uns ein langer alter Schullehrer. Er hieß
Wetzel
und erteilte auch damals unserm jetzigen König und seinem Bruder, dem Herzog
Paul,
den ersten Unterricht im Lesen und Schreiben.
    Ich erinnere mich noch lebhaft seines schwarzlackierten hohen Stockes mit silbernem Knopfe und langer schwarzer Quaste, und von dem Weine, den man ihm jede Stunde in einem mit Brot bedeckten Glase auf den Tisch stellte, habe ich noch jetzt den Geruch, wie aber der Geist seines Unterrichts war, weiß ich nicht mehr.
    Ein alter Oberforstmeister
von Stetinkh
bewohnte in einem, eine halbe Stunde von

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