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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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in großen Schrecken und stotterte heraus: »Der Herr Stadtschreiber läßt fragen: ob er nicht die in den Garten gefallenen Birnen dürfe
untertänigst
auflesen?« Der Prinz lächelte und sprach: »Ja! ja! er soll sie nur
gnädigst
nehmen.« – Zur Osterzeit legte in dem angebauten Teile dieses Gartens in den mit Buchsbaum umgebenen Blumenländern der Hase ein, worin die bunten Eier den Kindern zum Suchen versteckt waren, ja, diese Freude erstreckte sich noch in einen benachbarten Garten des schon früher berührten Dekans
Zilling.
Dieser Dekan
Zilling
gehörte unter die damaligen Originale
Ludwigsburgs,
daher wohl von ihm noch einiges angeführt werden darf.
    Er war ein Freund der Kinder und hatte auch der kleinen Landmiliz zu einer Fahne verholfen; er war aber ein strenger Eiferer auf der Kanzel, auf die er auch Privatverhältnisse brachte, und sich dadurch manche Feinde zuzog, worunter, wie bekannt ist, auch
Schubart
gehörte, den er besonders verfolgte, weil dessen Orgelspiel lieber gehört wurde als seine Predigten.
    Der Geist seiner Predigten ist aus folgendem
wörtlichen
Eingange einer derselben, mit dem er ihren Inhalt ankündigte, zu entnehmen.
    »Geliebte in Ihme! Adam und Eva unsere ersten Eltern im Paradiese. Die Arglist der Schlange. Die Bosheit der Schlange. Die Verführungskunst der Schlange. Der Baum mit der verbotenen Frucht im Paradies. Der Genuß der Frucht vom verbotenen Baum. Der erste Sündenfall. Der Engel mit dem Racheschwert im Paradies. Marsch'naus zum Paradies, marsch! marsch! marsch!«
    Gegen den Prinzen Friedrich übte er in den Predigten diesem mißfallende Schmeicheleien aus, er verbeugte sich zum Exempel tief gegen ihn von der Kanzel mitten in der Predigt und sagte: »Ja! Ludwigsburg verehrt wirklich was großes in seinen Mauern!« Der Prinz ärgerte sich darüber und besuchte die Kirche von dort an selten mehr, wie er denn auch das Abendmahl nicht mehr von
Zilling,
sondern von dem Pfarrer in
Schwieberdingen
nahm.
    Mit dem Militär, gegen dessen Sitten er oft in Predigten zu Felde zog, lag er immer im Kriege, und die damaligen jungen Offiziere spielten ihm manchen Streich, von denen
einer
so derb war, daß er nicht wieder zu erzählen ist. Er nahm seine Rache an ihnen aber auch, wo und wie er konnte, oft auf der Straße ohne Rückhalt.
    Einsmal begegnete er drei jungen Leutnants; sogleich machten diese vor ihm Front und sprachen mit erhabenem spöttischen Tone: ah! votres serviteurs très humbles! Ja wohl, drei Simpel! versetzte er. Die Offiziere mußten beschämt weiter gehen. Mit gleichem Witze bezahlte ihn aber einmal der betrunkene Weinzieher
Degler.
Dieser taumelte im vollen Rausche an Zillings Haus vorüber, Zilling bemerkte ihn und rief heraus: »Ei! ei! Degler! wer wird sich so besaufen?!«
Degler
lallte hinauf: »O ihr Dignität! ih hau au scho viel bei Ihne abeg'schlaucht, aber no kein wieder uffe.«
    Wenn er am Martini in die Schulen kam, um die Visitationen vorzunehmen, begrüßte er jedesmal die Lehrer mit folgendem nach den Rangstufen abgeteilten Morgengruß:
     
    »Wünsch' wohl geruht zu haben,
    Herr Oberpräzeptor
Winter!
    Gleichfalls, Herr Präzeptor
Herold!
    Empfehl' mich Ihnen, Herr Präzeptor
Elsäser!
    Guten Morgen Schulmeister!
    Bon jour, ihr Provisor!
    Grüß' euch Gott, liebe Kinder!
    Ist man auch da, Mäule?«
    (Mäule war der Schuleinheizer.)
     
    Sein Bruder war der Meßner (Küster) der Kirche, und mußte ihm jeden Sonntag mit Bekomplimentierungen den Kirchenrock anziehen. Herren, die ohne schwarzen Mantel zum Abendmahl kamen, wie z.B. der Amtsschreiber
Heuglin
und der Chemiker
Staudenmayer,
wies er vor der ganzen Gemeinde vom Altar zurück.
    Als er einmal während der Predigt einen Hund in der Kirche bemerkte, rief er von der Kanzel herab: »Meßner, bring' er diesen Hund hinaus! Wer diesen Hund in die Kirche gebracht, ist unvernünftiger als dieses unvernünftige Tier.« Auf diese Rede sah man einen Hofrat sich erheben und aus der Kirche gehen, dem nun natürlich alles nachsah.
    Auf der andern Seite hatte er aber doch auch wieder vielen kindlichen Sinn und liebte die Kinder, wie ich schon bemerkte. Viele seiner Schwachheiten konnte man auch wohl auf Rechnung seines Alters schreiben. Den Konfirmationsunterricht erteilte er den Kindern auf eine allerdings mehr kindische als kindliche Weise und verirrte sich dabei oft in die Erd- und Himmelskunde, z.E. (ganz nach seinen Worten):
    »Unsere Erde glaubet er, se steh auf steinerne Pfeiler, oder se sei an einer

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