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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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langa eiserna Kette, daß se nit runter fallt, und was glaubet er von dem blauen Himmel, wenn er ihn so sehat? Glaubet er, das sei a großes blaues Tuch, das da ausgekramt sei und die Sternle seiet silberne Nägele mit dem's angenägelt sei, daß nit runter fall?« –
     
Der Kapellmeister Poli
     
    Ein italienischer Musiker aus der Kapelle des Herzogs Karl, Namens
Poli,
hatte auch seine Wohnung in den Arkaden des Marktplatzes in Ludwigsburg. Er verstand die deutsche Sprache nur wenig und stellte sich Fremden mit den Worten vor: »Ik bin die große
Poli,
Kapellmeister vom Herzog
Karle.«
Ich sah ihn oft in einem roten Rocke, mit einem Haarbeutel, kleinem dreieckigem Hütchen, einen Hängkorb am Arme, auf den Gemüsemarkt gehen und in seinem gebrochenen Deutsch mit den Hökerweibern um Kraut handeln. Er hatte eine durchaus nicht schöne Frau, auch aus der Musikschule des Herzogs. Aus Eifersucht hatte er sie immer ins Zimmer verschlossen, und sie kam nur selten ins Freie.
    Dieses Original war besonders auch von uns Kindern sehr gefürchtet; denn, wie der andere Italiener, wurde auch er oft, ging er in seinem roten Röcklein und Bordenhute auf dem Markte umher, von uns bösen Buben geneckt und war daher immer mit einem großen spanischen Rohre gegen uns zum Schlage gerüstet. Es war auch wirklich kein kleines Wagestück, den Zorn eines solchen Italieners heraus zu fordern, der keine Rücksichten nahm und sich leicht der tollsten Wut und Rache überließ. Dieser Italiener wurde einmal von Kolikschmerzen gequält, in welchen er immer ausrief: lo Speciale! lo Speciale! – Die deutsche Magd, die nicht anders glaubte, als ihr Herr begehre noch vor dem Tode den Geistlichen, den Spezial, hatte nichts schnelleres zu tun, als zu dem Spezial
Zilling
zu springen und ihm zu sagen, ihr sterbender Herr rufe immerdar nach ihm, sie bitte ihn um Gottes Willen eilig zu kommen.
Zilling
war schnell bereit; denn er glaubte, der Italiener habe einen lutherischen Geistlichen nur darum begehrt, um sich vor seinem Tode noch in den Schoß dieser Kirche zu begeben. Aber wie erstaunte er, als ihm, vor seinem Bette angekommen, der Italiener einen gewissen Teil seines Körpers zum Klystieren hinstreckte, von Gebet und Bekehrung aber nichts wissen wollte. Die Irrung kam daher, daß im Italienischen lo Speciale der Apotheker heißt, und daß in Italien die Apotheker das Geschäft des Klystierens, wie bei uns die Chirurgen, über sich nehmen. Es ist dies eine Anekdote, die auch sonst oft erzählt wird, die aber die hier genannten Personen wirklich betraf und ihren Ursprung einzig in
Ludwigsburg
hat.
     
Der Bürgermeister Kommerell
     
    Nächst der Oberamtei wohnte auch ein alter Bürgermeister, Namens
Kommerell.
Es war ein Mann noch dicker als mein Vater, er trug gewöhnlich eine gepuderte Perücke, hinten mit einem breiten Haarbeutel mit großen schwarzen Maschen, und auf den Seiten über die Ohren hatte die Perücke Bouclen von Horn. Kam er vom Rathaus zurück, so legte er die Perücke ab. Haarbeutel und Bouclen wurden abgeschnallt, und letztere dienten mir oft zum Spiele; ja, ich lernte sogar nach und nach Töne wie aus einer Pfeife aus ihnen hervorbringen. Ob er gleich ein gestrenger Herr und gegen Bürger und Bauern sehr grob war, so mußte er doch meinem Vater untergeben sein, und so durfte auch ich bisweilen auf seinen Sammethosen reiten, und oft trug er mich noch auf den Armen, wenn er schon den roten Rock und die weiße seidene Pattenweste anhatte, um auf das Rathaus zur versammelten Bürgerschaft zu gehen. Zu diesem Gange drückte er gemeiniglich ein kleines dreieckiges Hütchen, in welchem auch ich manchmal herumstolzierte, während ich auf seinem spanischen Rohre mit goldenem Knopfe ritt, tief in die Stirne herein. Am lebendigsten steht er mir noch vor Augen, wenn er, auf der großen steinernen Treppe des Rathauses stehend, bei Huldigungen oder sonstigen festlichen Anlässen eine Rede an die Bürger hielt, und an dem Schlusse derselben mit dem Rufe: »Vivat unser allerdurchlauchtigster Herzog und Herr!« das Hütchen dreimal in die Luft warf und dreimal wieder geschickt mit den Händen auffing. Das war ein Jubel für uns Kinder, und des Bürgermeister Kommerells Hütchen steht gewiß noch im Gedächtnis manches
Ludwigsburgers
von meinem Alter.
    Als General
Dumouriez
mit dem nachherigen König
Philipp
im Gasthofe zur Kanne in Ludwigsburg angekommen war, warf sich der Bürgermeister
Kommerell
auch in seinen Amtsstaat, dem vornehmen Herrn

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