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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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Arme) zurückzunehmen gedachte, wäre er beinahe in den Dünen versunken.
    Noch waren ihm in diesem und früheren Jahren mehrere Sendungen übertragen worden. Auf einem Blatte, das von seiner Hand beschrieben ist, finden sich noch flüchtige Notizen, aber ohne Jahrzahl; z.E. »Erste und zweite Reise nach
Bremen
ohne weitere Bemerkung.« »Kongreß von
Hildesheim,
wohin
Reinhard
mich sandte.« »Meine Sendung nach Berlin«, und hierbei steht:
    »Unmittelbar nach Katharinas Tode sollte ich nach Rußland. Kaufleute von Hamburg interessierten sich dabei. Freier Verkehr zwischen russischen und französischen Häfen, durch Hanseaten betrieben, sollte der erste Schritt zur Versöhnung oder Annäherung zwischen Rußland und Frankreich werden. Das französische Gouvernement nahm keinen direkten Anteil an dieser Sendung. Hamburger Kaufleute gaben die Fonds, Reinhard seine Zustimmung, allein
Haugwitz
keine Protektion.
Ceillard,
französischer Gesandter in
Berlin,
sah das Ganze als meinen Eingriff in seinen politischen Sprengel an.« –
     
Mein Bruder Louis und der Aufstand in Knittlingen
     
    Während meine Brüder
Georg
und
Karl
in dieser Zeit vielseitiger Bewegung und Aufregung den Weg der Gefahr gingen, weilte mein Bruder
Louis
teils im
Breisgau
teils in
Württemberg
als Pfarrvikar. Mit dem Älterwerden hatte sich in ihm das republikanische Feuer gelegt. Es war bei ihm auch nur ein Strohfeuer; in meinem Bruder
Georg,
bei dem es ein echtes war, erlosch es bis zum Tode nicht.
    Ungefähr um die Zeit unserer Rückkehr nach Ludwigsburg (1800) war mein Bruder
Louis
geistlicher Vikar in jenem
Knittlingen
bei Maulbronn. Ein vom Rhein heraufgekommener französischer Chasseur, der aber ein Württemberger, Namens
Schwarz,
von Osweil bei Ludwigsburg war, hatte revolutionäre Ideen unter die Bürger jenes Städtchens gebracht, hielt mit ihnen Zusammenkünfte in den Wirtshäusern, wo Reden gehalten wurden und die Republik auch für Württemberg ausgerufen werden sollte. Der Nachfolger meines Vaters zu Maulbronn, Oberamtmann
Seubert,
der sich zu Beschwichtigung der revolutionären Köpfe an Ort und Stelle begab, mußte sich nach einer an die Bürgerschaft gehaltenen Rede flüchtig machen; denn die
Knittlinger
fielen ihn mit
Knitteln
an, 1 und er rettete sich nur noch in Bauernkleidung nachts mit einer Laterne durch die Wälder ins Kloster Maulbronn zurück.
    Auf einmal aber erschien der Herzog selbst in Knittlingen mit militärischer Begleitung, besprach das aufrührerische Volk und legte den Sturm bald durch seine imposante Gestalt und Rede.
    Meine Mutter war diese Zeit hindurch untröstlich, denn sie glaubte nichts anders, als es werde ihr guter, armer
Louis
auch Anteil an dieser revolutionären Bewegung haben und könne stündlich in Ketten auf die Feste
Asperg
geführt werden; allein sie kannte ihn nicht genug. Er war auch auf dem Platze, auf dem der Herzog zu dem Volke sprach, an dessen Aufstand er übrigens nicht den geringsten Anteil hatte; er stand nahe bei dem Herzog, aber je kräftiger, donnernder dieser sprach, je mehr zog er sich in der Stille zurück bis in seine Studierstube, wo er für den morgigen Sonntag sich eine sehr salbungsreiche Predigt nach dem Texte: »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!« einstudierte.
    Bald darauf kam er auf den
Asperg,
aber nicht als Revolutionär, sondern als Garnisonprediger.
     
Fußnoten
     
    1 Die Knittlinger führen einen Knittel im Wappen.
     
     

Mein Bruder Karl und die Arretierungen in Ludwigsburg
     
    Fast um die gleiche Zeit kam meine gute Mutter in einen ähnlichen und beinahe noch größeren Jammer durch meinen gar nicht revolutionären Bruder
Karl.
    Es wurden damals mehrere Württemberger, selbst Freunde meines Bruders, z.E. ein Konsulent
Bonz
in Ludwigsburg, ein Leutenant
Pinasse,
Landschaftskonsulent
Batz,
Hauptmann
Bauer,
der als geschätzter General im bayerischen Generalstabe starb und sich auch als militärischer Schriftsteller bekannt gemacht hatte, ferner Sekretär
Hauff
(Neffe meiner Mutter, Vater des Dichters) und mehrere andere, auf herzoglichen Befehl in der Nacht aufgehoben und auf die Feste Asperg abgeführt. Das österreichische Armee-Kommando in Württemberg hatte sie angegeben. Man hatte sie im Verdachte, in sträfliche Verbindungen mit den Franzosen zur Errichtung einer deutschen Republik getreten zu sein. Es wurde eine Staatskommission auf der Feste niedergesetzt, die die Gefangenen zu verhören hatte. Einer dieser, ein sehr feiger

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