Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
in eine Krankheit und starb. Er suchte nun auf einer geschäfts- und geräuschvollen Bahn Zerstreuung und fand Ruhm und Lorbeeren. Schmerzvolle Eindrücke aber blieben stets in seiner Seele zurück, und nie durfte man in seiner Gegenwart von Liebe sprechen, ohne daß sich tiefe Melancholie seiner Seele bemächtigte. Schon zu Mantua sagte mir nach geraumer Zeit vor
Jouberts
Entlassung der General M.: »
Joubert
werde nicht lange mehr bei der Armee bleiben, das Direktorium könne sich nur mit Menschen vertragen, deren Raub- und Gewaltsucht mit feiger Unterwürfigkeit gepaart, den Herrschern ein Motiv der Sicherheit werde. Militärischer Ruf, mit Bürgersinn und Bürgertugend vereinigt, sei diesen Menschen ein Gegenstand des Mißtrauens oder der Furcht;
Joubert
werde sich nicht erhalten und schon arbeite man von Mailand und Paris aus gegen ihn.« Ich sah seine Äußerung für übertrieben an, und mußte mich am Tage, da
Joubert
seine Dimissionsannahme erhielt, nur allzusehr von ihrer Gründlichkeit überzeugen. Ich war gerade an diesem Trauertage bei
Joubert.
Er hatte dem Exdirektor
Merlin
in einem Schreiben seine Meinung frei und offen mitgeteilt;
Merlin
hatte ihn dazu eingeladen, ihm seinen Glauben an einen entschiedenen Einfluß des Auslandes auf die Verhandlungen des Direktoriums nicht verschwiegen und sich mit edelm Unwillen gegen die beispiellose Behandlung der italienischen Völker erklärt, gegen ihre anhaltende Beraubung, Isolierung, und gegen ihre Herabwürdigung durch verhaßte Prokonsuls. Man hatte ihm unumschränkte Vollmacht über seine Armee verheißen, und von dem Tage seiner Ankunft an arbeitete ihm Furcht, Neid und Eifersucht aus Paris entgegen. Da man ihn selbst nicht anzugreifen wagte, so wurden die Pfeile gegen die Personen abgedrückt, die ihn umringten. Man verlangte
Suchets
Entfernung, den er als seinen Chef vom Generalstab für unentbehrlich hielt, dem er sein Zutrauen geschenkt hatte, und dessen Wert er besser beurteilen konnte, als dieses Direktorium auf seinen weichen Polstern im unseligen Palaste von Luxembourg. »Ich verlasse«, sagte er mir, »die Armee in einem Zustande, dem die Russen und Österreicher in mehreren Monaten noch nicht gewachsen sein können. Wenn einst die Zeit der Gefahr kommen sollte, bin ich bereit jedem Rufe zu folgen; jetzt trete ich mit der Überzeugung zurück, daß ein Land wie Frankreich Männer genug besitze, die noch bessere Dienste, denn ich zu leisten vermögen; anders zu denken wäre unverzeihliche Eitelkeit.« – Zu
Reggio
sagte er mir dies; dort sah ich ihn zum letztenmal, den großen Unvergeßlichen. – Am Tage der Schlacht von Novi hat er Wort gehalten. Auf den Ruf des bedrängten Vaterlandes war er dem Grabe entgegengeeilt, und der Tag seines Heldentodes war für die Feinde ein Sieg, blutig wie die blutigste Niederlage! – An dem Tage der Schlacht bei Novi floh der Genius der Freiheit von Frankreich.
Als
Sieyes
ins Direktorium eingetreten war, berief er
Reinhard
zum Ministerium nach Paris. Dieser reiste nun in Begleitung meines Bruders dahin zurück, und zwar zur See; denn seine Gattin fürchtete die Landreise.
Auf dieser Fahrt schiffte in kleiner Ferne ein englisches Schiff an ihnen vorüber. Hier beging mein Bruder in seinem fanatischen Hasse gegen die Engländer die Tollkühnheit, daß er beim Anblick der englischen Flagge sogleich in den Schiffsraum eilte, und ohne gegen irgend jemand etwas zu erwähnen, eine Kanone gegen das Schiff richtete, anzündete und die Kugel über die Flagge hinjagte.
Dieser jugendliche Übermut brachte nicht nur dem Gesandten vielen Verdruß, (denn es war, wenn ich nicht irre, Waffenstillstand zwischen Frankreich und England) sondern zog auch meinem Bruder eine Disziplinarstrafe zu.
In Toulon mußten sie Quarantäne halten, in deren Ruhe mein unruhiger Bruder oft verzweifeln wollte. Er schlug am Gestade des Meeres ein großes Zelt auf, in dem er zum Zeitvertreib Schauspiele und andere Festlichkeiten veranstaltete. In demselben Jahr wurde er von
Reinhard
von Paris nach Holland zu
Brune
ins Hauptquartier mit Aufträgen geschickt, wo er in seiner Lebendigkeit auch noch persönlich an einem Treffen der Franzosen gegen die Russen und Engländer, das während seiner Anwesenheit vorfiel, teilnahm und eine Verwundung durch eine Musketenkugel im Arm davon trug. Er hätte aber hier sein Leben noch auf eine andere Weise einbüßen können; denn als er nach seinem vollendeten Auftrage den kürzern Weg (die Kugel noch im
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