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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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zusagte, außerordentlich gepriesen wurde, und dies machte mich dann oft an mir selbst irre.
     
Anwesenheit der Franzosen und meines Bruders Georg in Ludwigsburg
     
    Viele Zerstreuung gewährte jetzt auch in Ludwigsburg, besonders der Jugend, der Einzug und die Beherbergung vieler französischer Truppen. Im Frühling 1801 musterte
Moreau
auf dem Felde neben dem Salon und den Alleen der Solitüde die 46. und 57. Halbbrigade, die dort unter dem Kommando des Generals
Grandjean
aufgestellt waren. Jene hieß in der Armee die tapfere (la brave), diese, die fürchterliche (la terrible).
    Die 46., eines der schönsten Korps in der damaligen französischen Armee, führte das Herz des durch den Lanzenstoß eines österreichischen Ulanen bei Neuburg a.D. gefallenen ersten Grenadiers, Latour d'Auvergne, mit sich in einer goldenen Kapsel an der Fahne des ersten Bataillons angeheftet und mit einem schwarzen Flor umhängt, um es nach Frankreich zu bringen, wo es im Pantheon bewahrt werden sollte. Auf dem Flor war ein Herz in Gold gestickt, durch das eine Lanze ging. So oft die Grenadiere des ersten Bataillons verlesen wurden, so ward auch
Latours
Name durch den Sergeantmajor zuerst aufgerufen, worauf der in der Linie zuerst stehende Grenadier antwortete: Il est mort au champ d'honneur. Diesen Ruf hörte ich damals manchmal auf dem Marktplatze in Ludwigsburg, wo die Kompagnie aufgestellt war.
    Moreau
war bei seiner Musterung in Ludwigsburg von seiner Gemahlin und einem großen Gefolge begleitet. Nach der Musterung gingen sie im Schlosse, in den Gärten und in der Favorite umher, wo der General an dem Springbrunnen scherzhaft seine Frau zu bespritzen suchte, während sie in leichten Sprüngen auswich. Es war eine nette, freundliche, mehr kleine als große Frau in einfachem weißem Kleide. Als sie von der Parade zurück in das Schloß gingen, bestiegen sie nicht die Treppen, sondern kletterten an der Terrasse hinauf, schnurgerade gegen das alte Schloß.
Moreau
war anfänglich ein paar Schritte vor seiner Frau voraus, welche aber in der Mitte der Höhe Kraft und Mut verlor und nicht mehr weiter konnte. Da kam ein großer plumper Kerl mit rotem Kopfe und hervorstechenden Augen, der Gartenportier M., die Terrasse im Eilschritt herab auf die zierliche Frau zu und wollte ihre Hand ergreifen, um sie empor zu ziehen, aber als sie ihm ihre Hand entzog, wollte er sie gar auf seine Arme heben und machte dazu ganz komische Gestikulationen, bis
Moreau
die Verlegenheit seiner Frau bemerkte und ihr nun selbst die Hand reichte.
    Wie in Maulbronn einen französischen Chasseur, so hatte ich mir jetzt bald einen französischen Grenadier zum Freunde erwählt, an dem ich bald mit großer Liebe hing, und den ich überall aufsuchte.
    Einst vermißte ich ihn zwei Tage lang und fragte und suchte nach ihm vergebens, als ich ihn endlich in einem Biergarten völlig besoffen liegend fand; da wurde mir dieser Sohn der Freiheit auf einmal zum Ekel, ich wandte mich von ihm und sah ihn nie wieder.
    Mein Bruder
Georg
hatte im Jahre 1800–1, als Sekretär der französischen Gesandtschaft, den Gesandten
Reinhard
in die Schweiz begleitet, von wo aus er öfters wieder zu diplomatischen Versendungen nach Italien gebraucht wurde. Bei einer kurzen Versendung nach Mailand fügte es der Zufall, daß er mit der französischen Armee zugleich über den Bernhard ging. Er konnte nie genug die Großartigkeit dieses Zuges beschreiben, in welchem vierzigtausend Mann über Höhen und Abgründe dahinzogen, und die Schwierigkeiten, die sie beim Transporte des Geschützes zu überwinden hatten. Noch ergreifender aber sei für ihn acht Tage später die tiefe Einsamkeit dieser Gegend gewesen, als er durch sie wieder seinen Rückweg nahm.
    An meiner Erziehung nahm mein Bruder
Georg
auch von der Ferne aus Anteil und er drang in seinen Briefen an die Mutter immer darauf, mich mehr für den freien Stand eines Gewerbsmannes als eines Gelehrten oder Beamten ausbilden zu lassen.
    Selbst wenn ich mich auch für einen der letztern Stände entscheiden sollte, meinte er, wäre es immer gut, ich würde dabei auch noch ein Handwerk lernen.
    Zu unserer großen Freude kam er im Jahre 1801 von der Schweiz aus noch selbst nach Ludwigsburg, und da war es, wo er die Seinigen (mich ausgenommen) zum letztenmale sah. Schon am ersten Tage seiner Ankunft wurde ich von ihm bei einem Schreinermeister installiert, der mir täglich zwei Stunden Unterricht in seiner Kunst geben sollte; auch bezahlte er ihn dafür

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