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Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit

Titel: Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justinus Kerner
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am meisten ehrte, war, daß sie das Unglück, das nun über ihren armen Pflegevater und sie hereinbrach, mit Standhaftigkeit und Ergebung ertrug. Sie verlor alles, selbst das ihr so teure Saiteninstrument, einen kostbaren Flügel; denn auch dieser wurde konfisziert. Von hohem Wohlstande war sie zur Bettlerin geworden. Wie der Pflegevater in Asperg, bewohnte sie nun in Ludwigsburg ein einsames Stübchen und gab Unterricht im Klavierspielen, und daneben war auch das Studium der Alten, Homers, Platos, ihr Trost. Sie sorgte noch immer, so viel sie konnte, für die Bedürfnisse ihres Pflegevaters, selbst als dieser, ganz kindisch geworden, nichts mehr von ihr wissen, ja sie gar nicht mehr zu sich lassen wollte. Zu ihm ziehen und mit ihm leben konnte sie nicht, weil sie in Asperg keinen Verdienst gehabt hätte. Ich traf sie öfters schwer tragend auf diesem Wege zu ihrem Pflegevater an. Sie war schon damals nicht mehr jugendlich, nicht schön, aber von einem durchaus geistreichen, verständigen Wesen. Später wurde ihr von dem konfiszierten Vermögen wieder ein Anteil als Pension gegeben, und durch Klavierunterricht und Handarbeit verschaffte sie sich noch bis in späte Jahre ein gutes Auskommen, bis sie zu Stuttgart vor wenigen Jahren und nicht vermögenslos starb.
    Auf solchen Spaziergängen ließ ich nicht ab, alles, was der Natur angehörte, zu lieben und zu betrachten, Aussichten, Bäume, Quellen, Steine, Vögel, Schmetterlinge und andere Insekten; besonders sah man auf den Rasenwällen der Veste immer die schönsten buntesten Schmetterlinge. Neben meiner Verskunst blieb mir das Studium der Natur noch immer die liebste Beschäftigung; am frühen Morgen und in späten Nächten las ich noch immer naturgeschichtliche Bücher. Romane las ich nie mehr.
Reimarus, Hallers, Bonnets
Schriften beschäftigten mich. Aus der Bibliothek eines mir wohlwollenden Militärarztes (Dr.
Constantin)
nahm ich
Mesmers
und
Gmelins
Schrift über den Magnetismus mit mir und erfreute mich schon damals dieser geistigen Erscheinungen. Derselben Bibliothek verdankte ich
Josephis
Anatomie der Säugetiere,
Jacquins
Lehrbuch der allgemeinen und medizinischen Chemie,
Haugks
Anfangsgründe der Experimental-Physik und
Steffens
Beiträge zu einer Naturgeschichte der Erde. Zum Danke übersetzte ich dem ärztlichen Freunde die lateinischen Verse der salernitanischen Schule in deutsche Reime. Alle diese Bücher las und studierte ich mit Liebe; dabei lagen aber die Schriften von
Nelkenbrecher
und
Büsching
oben an auf dem Tische, doch seltener gebraucht.
     
Der Chemiker Staudenmayer und seine Freunde
     
    Ein eigener, origineller Mann damaliger Zeit in Ludwigsburg war der Chemiker
Staudenmayer.
Ich glaube, er war zu Marbach geboren; er zog schon nach Ludwigsburg, als mein Vater noch Beamter daselbst war. Viele Jahre hatte er als Chemiker und nachher als Admiralitätsapotheker in Petersburg gelebt. Sein Haus befand sich nicht weit von der Tuchfabrik in der hinteren Schloßstraße. Er war mit Seele und Leib Chemiker und trug eine chemische Ehrennarbe im Gesicht; er hatte nämlich in Petersburg, als er eine neue Metall-Komposition zu Lettern goß, ein Auge verloren. Er war ein hagerer Mann von mittlerer Größe, seine Haare waren, obgleich er damals vielleicht erst 50 Jahre zählte, schneeweiß lang gelockt, und sein Gesicht trug tiefe Furchen einer in Denken und Arbeiten durchlebten Zeit. Er hatte sich Vermögen gesammelt und hielt es durch Sparsamkeit und kleine chemische Arbeiten (denn von solchen konnte er nie ruhen) zusammen. Er war kinderlos. Seine Frau war eine Livländerin. Sie war klein bei einem langen Oberleib, und ich sagte oft zu ihr, ich bezüchtige sie, keine Füße zu haben. Sie liebte ihren Mann ungemein so wie er sie. Dieser Mann hatte, besonders in der technischen Chemie, manche interessante Entdeckungen gemacht, zeigte sie auch solchen, die ihn näher kennen lernten, gern vor, aber aus der Art ihrer Bereitung machte er immer das größte Geheimnis. Es war dazumal die Zeit der Surrogate, für seinen forschenden Geist eine willkommene. Für alle Kolonialwaren hatte er Surrogate erschaffen, den Freunden zeigte er sie vor und wartete ihnen damit auf. Man speiste bei ihm vortrefflichen Zucker, der aber nicht aus dem Zuckerrohr genommen war, man trank bei ihm ausgezeichneten Kaffee, allein es war nicht die gewöhnliche Kaffeebohne; Zimt und Nelken vom besten Arom teilte er aus, allein sie waren sein Fabrikat; auch ein Surrogat für die Chinarinde

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