Bilderbuch Aus Meiner Knabenzeit
den Katzen durch den Garten gehe, bemerke er nachher, daß seine Essige nicht mehr die Reinheit wie vorher hätten, und sie ihm auch sehr oft ganz verderben.
Herr von Üxküll
Besseres traute der Chemikus dem Bruder dieser Frau zu. Dieser war ein Herr
von Üxküll,
der ihn öfters in Gesellschaft der Malerin Simanowitz besuchte. Noch öfters traf ich diesen auch sehr originellen Menschen bei meinem väterlichen Freund
Conz.
Klopfte es ganz erstaunlich an die Türe, daß alles zusammenfuhr, so war man der Erscheinung des Herrn
von Üxküll
gewiß. Er hatte das Gehör verloren und klopfte jedesmal an die Türe so stark und so lang, bis er es selbst hörte. Dieser Mann verwendete den größten Teil seines ansehnlichen Vermögens auf Kunstreisen und Sammlung von Kunstschätzen, namentlich auf Gemälde und Kupferstiche und auf Unterstützung von Künstlern. Er hatte sich in verschiedenen Jahren immer längere Zeit in Italien und namentlich in Rom aufgehalten und wurde Freund und Mäcen aller sich damals in Rom aufhaltenden Deutschen und besonders der württembergischen Künstler, wie des genialen
Kochs, Wächters, Schicks, usw.
Sein Urteil war in der Kunstwelt von Geltung; denn er hatte sich durch diesen Umgang mit Künstlern und durch Anschauung der Kunstwerke der verschiedensten Schulen, besonders der italienischen, zu einem Kunstkenner von Geschmack und richtigem Blicke gebildet. Er war Meister in mündlicher Darstellung des Gesehenen.
In der Lebensbeschreibung des alten Baumeisters
Schickhardt
von Eberhardt von Gemmingen, die
Üxküll
mit einer Vorrede seines Freundes
Conz
herausgab, findet sich von ihm ein Entwurf einer Geschichte der Fortschritte der bildenden Künste in Württemberg, von
Schickhardts
Zeiten 1560 bis 1815, der von seinem Berufe zum Kunsthistoriker zeugt. Seine vielseitigen Korrespondenzen mit Künstlern und Kunstkennern seiner Zeit und noch andere merkwürdige Manuskripte, die bei einem der Erben seines Nachlasses noch in einem Koffer eingeschlossen liegen sollen, wären gewiß einer Sichtung und Veröffentlichung wert.
Er war so taub, daß man mit ihm nur vermittelst eines Hörrohres sprechen konnte. Der Chemikus schrie ihn einmal in meiner Gegenwart in dasselbe, eingedenk seiner abgestandenen Essige: »Es ist mir doch unbegreiflich, wie eine Schwester von einem solchen Liebhaber des Schönen diese abscheulichen Katzen um sich dulden kann.« Ach, sagte er, ein jegliches lebe nach seiner Phantasie und mich freut, wenn ein Mensch nur irgend eine solche hat;
Ihre
Katzen, Lieber, sind die Essigflaschen! »Ja«, sagte der Chemikus mit einem Blick auf mich, »ehemals! aber jetzt möchte ich sie oft gern alle zusammenschlagen, es ist kein Glück mehr in ihnen!«
Die Malerin Simanowitz und zwei andere Freunde
Auch eine originelle Bewohnerin Ludwigsburgs war die Malerin
Simanowitz.
Oft traf ich sie in dem Hause des Chemikus, besonders zur Zeit, als sie sein und seiner lieben
Käthi
(so nannte sich des Chemikus Frau) Bildnisse in Öl malte in ihrer freien, geistreichen Weise. Der Schönheitssinn erlaubte ihr wohl nicht anders, als daß sie den Chemikus im Profil darstellte und zwar auf der Seite, wo er noch ein Auge hatte.
Aber es war in des Chemikus Auge auch das Leben des erloschenen Auges sichtbar getreten, es drückte sich in seinem einzigen Auge so viel Leben aus, daß man bald den Mangel des andern nicht wahrnahm, und so meinte ich, hätte sie ihn wohl auch en face abbilden können. In ihren Bildern lag eine ausnehmende Zartheit, der es doch nicht an Kraft und Wahrheit fehlte; es waren Charakterbilder ohne ängstliche Auffassung der einzelnen Züge. Die Kunst der Malerei war dieser Frau angeboren, nicht angelernt. Durch häufigen Umgang mit Künstlern und vielen ausgezeichneten Männern, die zum Teil noch aus der Karlsakademie vorhanden waren, und durch mehrere Kunstreisen nach Paris gewann sie an Kunst und wissenschaftlicher Bildung immer mehr.
Die reuelszenen der französischen Revolution erlebte sie in Paris, wo mein Bruder
Georg,
über den sie die schon angeführten Worte schrieb, oftmals ihr Begleiter und Beschützer war. Der Vater
Schillers
war ihres Vaters vieljähriger Kamerad, und schon in früher Kindheit war sie dadurch
Schillers
Gespielin und nahm an seinem ersten Unterrichte teil. Auch der Freundschaft des genialen Malers
Wächter
hatte sie sich zu erfreuen. Neben dieser ihrer Kunst übte sie die Pflichten einer sorgsamen treuen Gattin an einem braven, aber immer
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