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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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Aufkeimen einer jungen Liebe?«
    »Und das genügt Ihnen? Sie wünschen sich selbst gar nichts? Vielleicht, weil Ihr Mann alle Ihre Sehnsüchte so wunderbar befriedigt,
     dass Sie andere nur ebenso glücklich sehen wollen wie sich selbst?«
    Sie gingen im Park spazieren und waren vor dem HotelKursaal stehen geblieben. Kate schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf.
    »Sie kennen mich wirklich schlecht, James. Ich bin bereit, Ihnen eine Nachhilfestunde zu geben. Sagen wir am Mittwochabend,
     wenn Mathildes Tante von ihrem Ausflug zurück ist? Mein Mann wird am Mittwoch nämlich in Chur zu tun haben. Die Reise ist
     beschwerlich, er wird am Morgen aufbrechen und frühestens nach drei Tagen wieder da sein. Sie dürfen also wählen, wo Sie die
     Nachhilfestunde bekommen wollen. Ich würde sagen, wir halten sie hier ab. Die Pension Veraguth ist vielleicht doch ein bisschen
     zu klein. Und überhaupt schickt es sich, der Dame Mühe zu ersparen.«
    Sie schloss mit einer raschen Bewegung ihren Sonnenschirm, und der Portier, der ihre Geste bemerkt hatte, öffnete die Eingangstür
     des Hotels. James hielt Kate am Arm zurück, zog sie schnell an sich und flüsterte ihr ins Ohr: »Meinst du das ernst?«
    »Selbstverständlich«, antwortete sie kühl und machte sich los. »Sie kennen mich wirklich sehr schlecht, James. Zeit, dass
     wir Abhilfe schaffen.«
    Und schon war sie im Hotel verschwunden.
     
    Und nun war es Mittwoch. Betsy hatte mit Kate abgesprochen, dass Mathilde sich nach den Kuranwendungen bei ihr melden sollte.
     Kate hatte beteuert, sie werde gern den Nachmittag mit dem jungen Mädchen verbringen und ein Auge darauf haben, dass James
     ihr nicht zu unverschämte Avancen machte. Sie hatte vorgeschlagen, zusammen im Hotel den Lunch einzunehmen und dann eine Partie
     Golf zu spielen oder in Isola beim Tontaubenschießen zuzusehen und in der dortigen Restauration Blaubeerkuchen mit Sahne zu
     essen. James hatte beteuert, er käme gern zum Mittagessen, könne es aber nicht fest versprechen.
    »Es hängt davon ab, wie mein Tennismatch läuft«, sagte er freundlich vage, »aber ich versuche mein Möglichstes. Warten Sie
     nicht mit dem Essen. Wir sehen uns sonst auf dem Golfplatz, ja?«
    »Und wenn Mathilde und ich nach dem Essen beschließen, dass wir lieber nach Isola wollen?«
    »Wenn ich Sie beide nicht auf dem Golfplatz finde, werde ich einen Wagen nehmen und auf dem schnellsten Weg nach Isola kommen.«
    »Und wenn es uns nun in den Sinn kommt, eine Kutschenfahrt zum Roseggletscher zu machen?«, gab Kate spitz zurück.
    »Dann bringen Sie sich um das Vergnügen meiner Anwesenheit«, bemerkte James mit einem charmanten Lächeln, das dem ihren vollauf
     gewachsen war.
    Er hatte das Duell gewonnen, was sie schnell mit den Worten überging: »Ach, James, ich habe heute früh meine Zeitung nicht
     bekommen. Auch das beste Hotel hat Mängel. Wären Sie so nett, mir eine zu besorgen? Sie wissen ja, ich bin ein unglücklicher
     Mensch ohne meine Zeitung. Sie würden mich mit einer Kleinigkeit sehr glücklich machen   …«
    Und da war dieses Strahlen und dieser selbstverständliche Anspruch, dem man nur mit Anstrengung etwas entgegensetzen konnte,
     auch wenn sich unterschwellig ein leiser Grimm einschlich.
     
    James hatte ihr diesmal weder die Zeitung gebracht, noch hatte er seine kleine Lüge auch nur eine Sekunde bereut. Mathilde
     würde aus dem Hotel schlüpfen, ehe Kate ihrer habhaft werden konnte. Und da kam sie auch schon die Treppe herunter, ein bezaubernd
     junges Vögelchen, das James augenblicklich das Gefühl eingab, ganz Katze zu sein. Gut, dass der ernsthafte Edward nicht zugegen
     war.
    Wie war das Leben aufregend! Mathilde sah ihn mit soheißen Wangen, mit solch kindlicher Erwartung an, dass James fast ein beklommenes Gefühl beschlich. Er verdrängte es ebenso
     schnell wie Mathilde ihr Unbehagen über Dr.   Bernhards Worte. Stattdessen hob er den blauen Schal auf, der Mathilde entglitten war, legte ihr das blaue Tuch fürsorglich
     um die Schultern und sagte beiläufig: »Damit Ihre Augen noch blauer strahlen, als sie es sonst schon tun.« Und ohne die Wirkung
     seines Kompliments abzuwarten, fuhr er fort: »Und nun möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen. Das Hotel Kulm in St. Moritz,
     in das Sie gerne einmal wollten, ist ein riesiges Hotel. Es wird ewig dauern, bis wir dort etwas zu essen bekommen, und das
     an einem Ort, zu dem wir jederzeit auch mit Ihrer Tante gehen können. Dort müssen

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