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Bildnis eines Mädchens

Titel: Bildnis eines Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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amüsiert an. »Nun. Er ist mein bester Freund. Und er bemerkte,
     dass du mir nicht gleichgültig bist. Er fühlte sich wohl verpflichtet, mir das zu sagen. Wie du. Das ist doch sehr schön.«
    Dass er so etwas sagen konnte. Mathilde sah ihn fassungslos an.
    »Weißt du«, flüsterte Edward ihr ins Ohr, »ich nehme es James nicht übel, dass er dich begehrt hat. Er hat schneller erkannt
     als ich, wie wunderbar du bist. Er weiß, was ich an dir habe, er hat es selbst gesehen   …«
    Mathilde verschlug es die Stimme. Einen solchen Satz aus seinem Mund. Man lernte wirklich nicht aus, was Edward anging.
    »Und«, fuhr er fort, »schließlich und endlich, die Zeiten ändern sich. Frauen sind kein Eigentum, das man nur erwirbt, wenn
     noch keine Ecke abgestoßen ist. Die Frauen beginnen endlich, selbst darüber zu bestimmen, was sie sein und wie sie leben wollen.
     Mir gefällt das. Mir gefällt auch deine Tante Betsy. Sie scheint sich über vieles hinwegzusetzen. Und sie hat recht. Du darfst
     ihr ruhig nachschlagen.«
    Mein Gott, dachte Mathilde.
    »Tante Betsy gefällt dir also auch?«
    Er nickte. »Das sag ich ja. Betsy gefällt mir sehr. Sie ist eine intelligente, schöne, eigenwillige Frau, die   …«
    Mathilde hielt ihm den Mund zu. »Es reicht. Bring mich nach Hause, in mein Krankenbett, zu Dr.   Bernhard, zu den Schwestern.« Sie sah ihn zweifelnd an. So war Edward? Und so war das Leben?
    »Küss mich!«, sagte sie.
    »Bis ans Ende meiner Tage«, antwortete er.

Das Ende der Saison
    Der Sarg, den der Gaul auf einem alten Karren durch die Landschaft zog, ruckelte und rutschte manchmal in den Kurven leicht
     hin und her. Das Tannenholz war leicht und der Sarg nur schluderig auf dem Wagen befestigt.
    Sie brachten Luca nach Hause.
    Aldo schwieg. Wie anders er sich Lucas Rückkehr vorgestellt hatte, wie stolz er auf seinen Sohn gewesen war. Benedetta zeigte
     statt Trauer ihr bekanntes abweisendes Gesicht. Was ging ihr Schmerz die anderen an? Was nützte es nun, dass sie recht gehabt
     hatte? Die großartig beschworene Zukunft, von der die einen profitierten, die anderen zermalmt wurden! Beim Sprengen eines
     Tunnels war ihr Luca vom Dynamit zerrissen worden. Waren nicht schon genug Gräber da, auf denen der Name Biancotti stand?
    Signore Robustelli machte sich die Finger nicht schmutzig, der saß hinter dem Schreibtisch und bewunderte den kühnen Streckenbau
     der Bahn von Weitem. Es gefiel ihr nicht, dass er zur Beerdigung kam, aber Andrina hatte darauf bestanden. Sie hängte sich
     an ihn, und das gefiel Benedetta genauso wenig. Sie wollte nicht so einen in ihrer Familie. Das passte einfach nicht. Und
     wenn Andrina so weitermachte, würde sie bald auch nicht mehr in die Familie passen.
    Benedetta hatte müde Beine, und das Atmen fiel ihr schwer. Nika hatte es bemerkt und war zu Gian nach Grevasalvas hinaufgestiegen,
     um ihn nach Hause zu holen. Benedetta brauchte ihn jetzt mehr als sonst.
    Alle fürchteten, Gian, aufgewühlt von den Ereignissen, würde einen Anfall bekommen und alle zu Tode erschrecken. Aber das
     große Übel blieb aus. Gian war ganz ruhig, hielt seine Mutter und stützte sie, als sie vor dem offenen Grab stand und für
     einen Augenblick wankte, als wolle sie in die Grube, auf das helle Tannenholz stürzen, das von da unten zu ihr heraufleuchtete.
     Er hielt sie fest und murmelte ihr besänftigende Worte zu, als spräche er zu seinen Kühen.
    Aldo stand für sich und suchte Andrinas Blick, doch die hielt sich an Robustelli und wich ihm nicht von der Seite.
    Auch wenn Luca Pech gehabt hatte, sie, Andrina, entschied sich für die Zukunft, so wie ihr Bruder es getan hatte. Ihre Zukunft
     war Achille, der schützend seinen Arm um sie legte, und nicht ihre Familie, die es nur von Stampa bis Maloja gebracht hatte
     und keinen Schritt weiter.
    Nika stand abseits. Luca hatte seinen Ort gefunden. Sie zog ihr Wolltuch fest um sich und presste die Hände auf die Brust.
     Sie stellte sich vor, wie er da in seinem schwarzen Anzug lag und nichts mehr ihn erreichte, nicht einmal der dumpfe Hall
     der Erdbrocken, die jetzt auf dem Sarg aufschlugen.
    Selbstverständlich war auch die Familie Segantini zur Beerdigung gekommen. Bice sah leidend aus, vielleicht fror sie aber
     auch nur. Der Malojawind zog über sie alle hinweg, wirbelte die Gedanken auf, die sie, jeder für sich, dem Toten nachschickten.
     Segantini sah, wie der Wind Nika rotblonde Strähnen ins Gesicht trieb. Wenn sich eine Wolke vor die

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