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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Silbermünze fest umschlossen, obszöne Bewegungen; Hände, denen jetzt die Schlüssel zum städtischen Museum anvertraut waren, Schlüssel zu Holbein und Hals, Lochner und Leibl.
    Mit mir sprach keiner; mir blieb die kalte Marmorbrüstung, auf die ich mich lehnte; ich blickte hinunter in den Innenhof, wo ein bronzener Bürgermeister mit unerbittlichem Ernst seinen Wanst den Jahrhunderten hinhielt, ein marmorner Mäzen in einem vergeblichen Versuch zur Tiefsinnigkeit die Lider über seine Froschaugen senkte; leer waren die Denkmalsaugen, wie die Augen der römischen Marmormatronen, deren Augenpartien von den Leiden einer späten Kultur kündeten. Meeser schlurfte zu seinen Kollegen hinüber, Brehmockel, Grumpeter und Wollersein standen dicht beieinander; kalt und klar war der Dezemberhimmel über dem Innenhof; draußen gröhlten früh Betrunkene, rollten Droschken theaterwärts, zarte Frauengesichter unter resedafarbenem Schleier freuten sich auf
    ›La Traviata‹; zwischen Meeser und den drei Gekränkten stand
    ich wie ein Aussätziger, den zu berühren Tod bringt; sehnte mich nach der strengen Liturgie meines Tageslaufs, als ich die Fäden des Spiels noch allein gehalten hatte, Dasein und Nicht- Dasein noch hatte regeln, den Mythos dosieren können; ich war nicht mehr Herr des Spiels; Skandal; Gerücht; Abtschritte in meinem Atelier; Bauunternehmer ließen Freßkörbe in meinem
    Atelier abgeben, goldene Taschenuhren in rotsamtenen Etuis, und einer schrieb mir: ›... und würde ich Ihnen die Hand meiner Tochter gewiß nicht verweigern...‹ Voll ist ihre Rechte von Geschenken.
    Ich würde keins annehmen, nicht einen Ziegelstein; ich liebte den Abt. Hatte ich wirklich in winzigen Augenblicken daran gedacht, bei ihm Domgreves Trick anzuwenden? Ich wurde schamrot, wenn ich daran dachte, daß ich es in winzigen Augenblicken wirklich gedacht haben könnte; das Unvorhergesehene war geschehen: ich liebte Johanna, die Kilbsche Tochter, und liebte den Abt; ich hatte schon um halb zwölf vorfahren, schon den Blumenstrauß abgeben, schon sagen dürfen: ›Ich bitte Sie um die Hand Ihrer Tochter‹ - und Johanna war später augenzwinkernd hinzugekommen, hatte das Ja nicht gehaucht, sondern es deutlich ausgesprochen. Ich machte immer noch von fünf bis sechs meinen Spaziergang, spielte immer noch Billard im Klub der Reserveoffiziere, und mein Lachen, von dem ich jetzt großzügigere Rationen nahm, war durch Johannas Augenzwinkern gestärkt; ich sang immer noch freitags im Sängerbund: Tom, der Reimer.
    Langsam schob ich mich über die kalte Marmorbrüstung zu den drei Gekränkten hin, stellte das leere Cognacglas aufs Tablett zurück; würden sie vor dem Aussätzigen zurückweichen? Sie wichen nicht; erwarteten sie eine demütige Annäherung? ›Gestatten, daß ich mich bekannt mache: Fähmel.‹ Mein Gott, war nicht jeder irgendwo hergelaufen, hatte nicht Grumpeter in jungen Jahren als Schweizer die Kühe des Grafen von Telm gemolken, Kuhmist auf duftende Erde gekarrt, bevor er seine Berufung zum Architekten entdeckte? Aussatz ist heilbar, heilbar an den Ufern des Lago Maggiore, in den Gärten von Minusio; sogar der Aussatz biederer Bauunternehmer, die romanische Kirchen zum Abbruch kauften, inklusive des respektiven Inventars, mit alten Madonnen, Kirchenbänken; die mit dem respektiven Inventar die Salons der Neu- und
    Altreichen schmückten? Beichtstühle, in denen dreihundert Jahre lang demütige Bauern ihre Sünden geflüstert hatten, in die Salons von Kokotten verkauften? Aussatz ist heilbar in Jagdhütten und in Bad Ems.
    Die todernsten Gesichter der Gekränkten wurden starr, als sich die Tür zum Sitzungszimmer öffnete: ein schwarzer Umriß wurde sichtbar, bekam Kontur, Farbe; das erste Jurymitglied trat in den Flur; Hubrich, Professor für Kunstgeschichte an der theologischen Fakultät; nur über meine Leiche; sein schwarzer Tuchrock wirkte in dieser Beleuchtung wie der Tuchrock eines rembrandtgemalten Ratsherren; Hubrich ging auf das Tablett zu, nahm ein Cognacglas, ich hörte ein tiefes Seufzen aus seiner Brust; an den drei Gekränkten vorbei, die auf ihn zuzulaufen versuchten, entfernte er sich auf das Ende des Flures zu; die Strenge des Priestergewandes war bei ihm durch einen weißen Schal abgemildert, die hellen, kindlich bis über den Kragen herabfallenden Locken erhöhten den Eindruck, den hervorzurufen Hubrich bemüht war; er sah wie ein Künstler aus. Mit dem Schnitzmesser über einem Holzblock, mit zartem

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