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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Verse
    ausgehöhlt, hielten die würdelosere Masse zurück: ein bebrilltes Mädchen, einen hageren Sozialisten; bis der Abt die Tür öffnete, rasch, atemlos wie ein Junge auf mich zukam, mich umarmte, während eine Stimme ›Fähmel‹ rief, ›Fähmel‹.
    Lärm drang herauf; ze hn Minuten nachdem das Beben der Fensterbank aufgehört hatte, verließen lachende Arbeiterinnen das Tor, trugen stolze Sinnlichkeit in den Feierabend; warmer Herbsttag, an dem das Gras an der Friedhofsmauer duften würde; Gretz war heute seinen Keiler nicht losgeworden, dunkel und trocken war die blutige Schnauze; im Wechselrahmen der Dachgarten drüben: der weiße Tisch, die grüne Holzbank, die Pergola mit der müden Kapuzinerkresse; würden Josephs Kinder, Ruths Kinder drüben einmal auf und ab gehen, Kabale und Liebe lesen; hatte er Robert je da drüben gesehen? Nie, der hockte in seinem Zimmer, übte im Garten, Dachgärten waren zu klein für den Sport, den er trieb: Schlagballspiel, Hundertmeterlauf.

    Ich hatte immer ein wenig Angst vor ihm, erwartete Ungewöhnliches, war nicht einmal erstaunt, als der mit den hängenden Schultern ihn pfändete; wenn ich nur wüßte, wie der Junge hieß, der die winzigen Zettel mit Roberts Botschaften in unseren Briefkasten warf; ich hab's nie erfahren, auch Johanna konnte es aus Dröscher nicht herausbekommen; dem Jungen gebührt das Denkmal, das sie mir setzen werden; ich brachte es nicht fertig, Nettlinger die Tür zu weisen und diesem Wakiera das Betreten von Ottos Zimmer zu verbieten, sie brachten das Sakrament des Büffels in mein Haus, verwandelten den Jungen, den ich liebte, in einen Fremden, den Kleinen, den ich mit auf Baustellen nahm, mit auf die Gerüste. Taxi? Taxi? War es das Taxi des Jahres 1936, als ich mit Johanna in den ›Anker‹ fuhr, zum oberen Hafen; das Taxi des Jahres 1942, mit dem ich sie in die Heilanstalt nach Denklingen brachte? Oder das des Jahres
    1956, als ich mit Joseph nach Kisslingen fuhr, ihm die Baustelle
    zu zeigen, wo er, mein Enkel, Roberts und Ediths Sohn, für mich wirken sollte; zerstört die Abtei, ein wüster Haufen von Steinen und Staub und Mörtel; gewiß hätten Brehmockel, Grumpeter und Wollersein triumphiert bei diesem Anblick; ich triumphierte nicht, als ich den Trümmerhaufen im Jahr 1945 zum ersten Mal sah; ging nachdenklich umher, ruhiger, als man offenbar von mir erwartet hätte; hatten sie Tränen erwartet, Empörung? ›Wir werden den Schuldigen finden.‹ ›Warum?‹ fragte ich, ›lassen Sie ihn doch in Frieden.‹ Ich hätte zweihundert Abteien gegeben, wenn ich Edith dafür hätte zurückbekommen können, Otto, oder den unbekannten Jungen, der die Zettelchen in unseren Briefkasten warf und so teuer dafür bezahlen mußte; und wenn auch der Tausch nicht angenommen wurde, ich war froh, wenigstens das bezahlt zu haben: einen Haufen Steine, mein ›Jugendwerk‹. Ich bot sie Otto und Edith, dem Jungen und dem Tischlerlehrling an, obwohl ich wußte, daß es ihnen nichts nützen würde; sie waren tot; gehörte dieser Trümmerhaufen zum Unvorhergesehenen, das ich so heftig begehrt hatte? Die Mönche wunderten sich über mein Lächeln, und ich wunderte mich über ihre Empörung.«
    »Das Taxi? Ich komm ja schon, Leonore. Denken Sie an meine Einladung: um neun Uhr im Cafe Kroner, Geburtstagsfeier. Es gibt keinen Sekt. Ich hasse Sekt. Nehmen Sie die Blumen unten aus der Portierloge mit, die Zigarrenkisten und Glückwunschtelegramme, und vergessen Sie's nicht, Kind: bespucken Sie mein Denkmal.«
    Wahlplakate waren es, die in Überstunden auf weißes Papier gedruckt worden waren; die Stapel versperrten die Flure, den Treppenaufgang, waren bis vor seine Tür ge lagert, jedes Paket mit einem Muster überklebt; sie lächelten ihn alle an, gutgekleidete Muster, Kammgarnfäden waren in ihren Anzügen sogar auf den Plakaten erkennbar; Bürgerernst und Bürgerlächeln heischten Zuversicht und Vertrauen; junge und
    alte, doch schienen die Jungen ihm schrecklicher noch als die
    Alten; er winkte dem Portier ab, der ihn in seine Loge locken wollte, Blumenpracht zu besichtigen, Telegramme zu öffnen, Präsente zu begutachten; stieg in das Taxi, dessen Schlag der Chauffeur ihm aufhielt, sagte leise: »Nach Denklingen, bitte, zur Heilanstalt.«

5

    Blauer Himmel, getünchte Wand, an der die Pappeln als Leiterstufen hinaufführten und hinab auf den Vorplatz, wo ein Wärter Laub in das Kompostbecken schaufelte; die Wand war zu hoch, die Abstände der Stufen waren

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