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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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zu weit; vier, fünf Schritte brauchte er, die Zwischenräume zu überwinden; Vorsicht!, warum muß der gelbe Bus so hoch an der Wand entlang fahren, kriechen wie ein Käfer, er hatte heute nur einen Menschen gebracht: ihn. War er's? Wer? Wenn er doch, sich von Sprosse zu Sprosse anklammernd, klettern würde! Aber nein: immer aufrecht und ungebeugt, sich nicht erniedrigen; nur wenn er sich auf Kirchenbänke kniete oder in Startlöcher, gab er die aufrechte Haltung preis. War er's? Wer?
    An den Bäume n im Garten, im Blessenfelder Park die korrekt gemalten Schilder: 25, 50, 75, 100; er kniete sich ins Startloch, murmelte sich selbst zu: ›Auf die Plätze, fertig, los‹, lief los, verlangsamte sein Tempo, kehrte zurück; las von der Stoppuhr die Zeit ab, trug sie in das marmorierte Heft ein, das auf dem steinernen Gartentisch lag; kniete sich wieder ins Startloch, murmelte sich das Kommando zu, lief los, steigerte die erprobte Strecke nur um ein geringes; oft dauerte es lange, ehe er über die 25 hinauslief, länger noch, bis er die 50 erreichte, einmal dann zum Schluß lief er die ganze Strecke bis zur 100, trug die erreichte Zeit ins Heft ein: 11,2. Das war wie eine Fuge, präzis, erregend, und doch waren Strecken großer Langeweile darin, gähnende Ewigkeit an Sommernachmittagen, im Garten oder im Blessenfelder Park; Start, Rückkehr, Start, geringe Steigerung, Rückkehr; auch seine Erläuterungen, wenn er sich neben sie setzte, die Zahlen im Heft auswertete und kommentierte, das System pries, waren beides: erregend und langweilig; seine Übungen rochen nach Fanatismus; dieser kräftige schlanke Jungenkörper roch nach dem ernsthaften Schweiß derer, die die Liebe noch nicht kennen; ihre Brüder Bruno und Friedrich
    hatten so gerochen, wenn sie von ihren Hochrädern stiegen, Kilometerzahlen und Zeiten im Kopf, fanatische Beinmuskeln dann im Garten durch fanatische Ausgleichsübungen zu erlösen suchten; Vater roch so, wenn er bei Gesangsübungen die Brust ernsthaft wölbte, Atmen zum Sport wurde, Singen kein Vergnügen war, sondern Bürgerernst, von Schnurrbärten eingerahmt; sie sangen im Ernst, fuhren im Ernst Rad, ernsthafte Beinmuskeln, Brustmuskeln, Mundmuskeln; Krämpfe zeichneten ekelhafte violette Blitze in die Beinhaut und Wangenhaut; stundenlang standen sie in kalten Herbstnächten, um Hasen zu schießen, die hinter Kohlstrünken sich verbargen, endlich im Morgengrauen Erbarmen mit den angestrengten Muskeln zeigten, sich zu deren Erlösung entschlossen und im Zick-Zack durch den Schrotregen liefen; wozuwozuwozu ? war er, der das heimliche Lachen in sich trug, verborgene Feder im verborgenen Uhrwerk, die den unerträglichen Druck milderte, Entspannung herbeiführte; er, der einzige, der nicht vom Sakrament des Büffels gegessen hatte? Lachen hinter der Pergola, Kabale und Liebe; sie beugte sich übers Geländer, sah ihn aus dem Druckereitor kommen; mit leichtem Schritt ging er aufs Cafe Kroner zu; er trug das heimliche Lachen in sich wie eine Feder; war er ihre Beute oder sie die seine?
    Vorsicht, Vorsicht! Warum immer so aufrecht, so ungebeugt? Ein Fehltritt nur und du fällst in die blaue Unendlichkeit hinunter, zerschellst hier unten an der Betonmauer des Komposthaufens; die welken Blätter werden den Aufprall nicht mildern, die Treppeneinfassung aus Granit ist nicht Polster genug; war er's? Wer? Demütig stand der Wärter Huperts in der Tür: Tee, Kaffee, Bier, Wein oder Cognac für den Besucher? Augenblick bitte; Friedrich wäre zu Pferde gekommen, niemals hätte er den gelben Bus bestiegen, der wie ein Käfer oben an der Mauer zurückkroch; und Bruno nie ohne Stock, er schlug die Zeit damit tot, zerhackte sie; schlug sie mit dem Stock klein oder zerschnitt sie mit Spielkarten, die er ihr wie Klingen
    entgegenwarf, nächtelang, tagelang, Friedrich wäre zu Pferde gekommen und Bruno nie ohne Stock; weder Cognac für Friedrich noch Wein für Bruno; sie waren tot, törichte Ulanen ritten bei Erby- le-Huette ins Maschinengewehrfeuer; hatten geglaubt, sich der Bürgertugenden durch Bürgerlaster entledigen zu können, Frömmigkeitsübungen durch Zoten auszulöschen; unbekleidete Ballettratten auf Clubhaustischen kränkten die würdigen Ahnen nicht, da diese nicht so würdig gewesen waren, wie die Galerie sie zeigte; Cognac und Wein für immer von der Getränkekarte gestrichen, lieber Huperts. Vielleicht Bier? Ottos Schritt war nicht so elastisch, war Marschschritt, der Feindschaft, Feindschaft auf die

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