Billard Um Halb Zehn: Roman
Fliesen des Flurs trommelte, Feindschaft aufs Pflaster, die ganze Modestgasse hinunter; der hatte schon früh vom Sakrament des Büffels gegessen; oder ob der sterbende Bruder den Namen an Otto weitergab: Hindenburg? Vierzehn Tage nach Heinrichs Tod ist Otto geboren; gefallen bei Kiew; ich will mir nichts mehr vormachen, Huperts; Bruno und Friedrich, Otto und Edith, Johanna und Heinrich: alle tot.
Auch nicht Kaffee; es ist nicht der, dessen heimliches Lachen ich aus jedem seiner Schritte heraushörte; er ist älter; für diesen hier Tee, Huperts, frisch, stark, mit Milch, aber ohne Zucker, für meinen Sohn Robert, den Ungebeugten, Aufrechten, der sich immer von Geheimnissen nährte; auch jetzt eins in der Brust trägt; sie haben ihn geschlagen, pflügten seinen Rücken auf, aber er beugte sich nicht, gab sein Geheimnis nicht preis, verriet nicht meinen Vetter Georg, der ihm in der ›Hunnen-Apotheke‹ das Schwarzpulver gemischt hatte; hangelt sich da zwischen den beiden Leitern herunter, schwebt wie Ikarus mit ausgebreiteten Armen auf den Eingang zu, wird nicht im Kompostbecken landen, nicht am Granit zerschellen. Tee, lieber Huperts, frisch und stark, mit Milch, aber ohne Zucker; und Zigaretten, bitte, für meinen Erzengel: der bringt mir dunkle Botschaften, die nach Blut schmecken, nach Aufruhr und Rache: sie haben den
blonden Jungen getötet; der lief die hundert Meter in 10,9; der lachte, sooft ich ihn sah, und ich sah ihn nur dreimal; der reparierte mir mit seinen geschickten Händen das winzige Schloß an der Schmuckkassette, an dem sich Tischler und Schlosser vierzig Jahre lang vergeblich versucht hatten; er faßte es nur an, und es ging wieder; er war kein Erzengel, nur ein Engel, hieß Ferdi und war blond, ein Tor, der glaubte, er komme mit Knallbonbons gegen die an, die vom Sakrament des Büffels gegessen hatten; der trank weder Tee noch Wein, nicht Bier, Kaffee oder Cognac, der hielt einfach seinen Mund an den Wasserhahn und lachte; er würde mir, wenn er noch lebte, ein Gewehr besorgen; oder der andere, dunkle, ein Engel, dem das Lachen verboten war, Ediths Bruder; sie nannten ihn Schrella; das war so einer, den man nie beim Vornamen nennt; Ferdi würde es tun, er würde das Lösegeld zahlen, mich aus diesem Schloß, in das ich verwünscht bin, herausholen, mit einem Gewehr; so aber bleibe ich verwünscht; nur durch riesige Leitern ist die Welt erreichbar; mein Sohn steigt zu mir herunter.
»Guten Tag, Robert, du magst doch Tee? Zuck nicht zusammen, wenn ich dich auf die Wange küsse; du siehst aus wie ein Mann, ein Vierziger, hast graue Haare an den Schläfen, enge Hosen an und eine himmelblaue Weste; ist das nicht zu auffällig? Vielleicht ist's gut, so als Herr in den mittleren Jahren getarnt zu sein; du siehst aus wie ein Chef, den man gern mal husten hören würde, der aber zu fein ist, sich so etwas wie einen Husten zu leisten; verzeih, wenn ich lache; wie geschickt die Friseure heutzutage sind; das graue Haar sieht echt aus, die Bartstoppeln wirken wie die eines Mannes, der sich zweimal am Tag rasieren müßte, es aber nur einmal tut; geschickt; nur die rote Narbe ist unverändert; daran werden sie dich natürlich erkennen; ob es nicht auch dafür ein Mittel gibt?
Nein, du brauchst keine Angst zu haben; sie haben mich nicht angerührt, ließen die Peitsche an der Wand hängen, fragten nur:
›Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?‹, und ich sagte die
Wahrheit: ›Morgens, als er zur Straßenbahn ging, um in die Schule zu fahren.‹
›Aber in der Schule ist er nie angekommen.‹ Ich schwieg.
›Hat er keine Verbindung mit Ihnen aufgenommen?‹
Wieder die Wahrheit: ›Nein.‹
Du hattest deine Spur zu auffällig gemacht, Robert; eine Frau aus der Barackensiedlung am Baggerloch brachte mir ein Buch mit deinem Namen und unserer Adresse drin: Ovid, grüngraue Pappe; Hühnerdreck drauf - fünf Kilometer davon entfernt wurde dein Lesebuch gefunden, in dem ein Blatt fehlte; die Kassiererin eines Kinos brachte es mir; sie kam ins Büro, gab sich als Klientin aus, und Joseph brachte sie zu mir rauf. Eine Woche später fragten sie mich wieder: ›Verbindung mit Ihnen aufgenommen?‹, und ich sagte: ›Nein.‹ Später kam der eine hinzu, Nettlinger, der so oft meine Gastfreundschaft genossen hatte; er sagte: ›In Ihrem eigenen Interesse, sagen Sie die Wahrheit.‹ Aber die hatte ich ja gesagt; nur wußte ich jetzt, daß du ihnen entwischt warst. Monatelang nichts, Junge; dann kam Edith und sagte:
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