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Billard Um Halb Zehn: Roman

Billard Um Halb Zehn: Roman

Titel: Billard Um Halb Zehn: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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weil er sagte, man müßte alle Deutschen umbringen, nur ihre Kunstwerke retten, einen sehr beliebten Politiker; aber sie amnestierten mich bald, weil sie glaubten, meine Gefühle respektieren zu müssen, Gefühle, die ich gar nicht gehabt hatte, als ich den Politiker bedrohte - so wird man aus Mißverständnis eingesperrt und aus Mißverständnis freigelassen.«
    Nettlinger lachte: »Wenn du schon Bilder sammelst, darf ich deiner Sammlung eins hinzufügen. Wie ist es mit dem: rücksichtsloser politischer Haß zwischen Schulkameraden; Verfolgung, Verhör, Flucht, Haß bis aufs Blut - aber zweiundzwanzig Jahre später ist es ausgerechnet der Verfolger, der Schreckliche, der den heimkehrenden Flüchtling aus dem Gefängnis befreit? Ist das nicht auch ein Bild, würdig in deine Sammlung aufgenommen zu werden?«
    »Es ist kein Bild«, sagte Schrella, »sondern eine Geschichte, die den Nachteil hat, auch noch wahr zu sein - aber wenn ich die Geschichte ins Bildhaft-Abstrakte übersetze und dir dann interpretiere, wird wenig Schmeichelhaftes für dich herauskommen.«
    »Es ist gewiß merkwürdig«, sagte Nettlinger leise, und nahm seine Zigarre aus dem Mund, »wenn ich hier um Verständnis bitte, aber glaube mir: als ich deinen Namen auf der Fahndungsliste las und die Meldung kontrollierte und erfuhr, daß sie dich wirklich an der Grenze verhaftet hatten, habe ich nicht einen Augenblick gezögert, alles für deine Freilassung in die Wege zu leiten.«
    »Es würde mir leid tun«, sagte Schrella, »wenn du glaubtest, daß ich die Echtheit deiner Motive und Gefühle bezweifle. Nicht einmal deine Reue ziehe ich in Zweifel, aber Bilder - und du hast mich gebeten, die Geschichte als Bild in meine Sammlung aufzunehmen -, Bilder bedeuten eine Abstraktion, und das ist die
    sind - verzeih - die gleichen, denn damals bedeutete mich unschädlich zu machen, mich einzusperren, heute bedeutet mich unschädlich zu machen, mich freizulassen; ich fürchte, daß Robert, der viel abstrakter denkt als ich, aus diesem Grund keinen Wert darauf legt, dich zu treffen. Ich hoffe, du verstehst mich - auch damals habe ich an der Echtheit deiner persönlichen Motive und Gefühle nie gezweifelt; du kannst mich nicht verstehen, versuche es gar nicht, denn du hast die Rollen nicht bewußt gespielt - sonst wärst du ein Zyniker oder ein Verbrecher - beides bist du nicht.«
    »Ich weiß jetzt wirklich nicht, ob du mir Komplimente machst oder das Gegenteil.«
    »Von beidem etwas«, sagte Schrella lachend.
    »Vielleicht weißt du nicht, was ich für deine Schwester getan habe.«
    »Hast du Edith geschützt?«
    »Ja. Wakiera wollte sie verhaften lassen; immer wieder setzte er sie auf die Liste, und ich habe ihren Namen immer wieder gestrichen.«
    »Eure Wohltaten«, sagte Schrella leise, »sind fast schrecklicher als eure Missetaten.«
    »Und ihr seid unbarmherziger als Gott, der die bereuten Sünden verzeiht.«
    »Wir sind nicht Gott und können uns seine Allwissenheit so wenig anmaßen wie seine Barmherzigkeit.«
    Nettlinger lehnte sich kopfschüttelnd zurück; Schrella nahm eine Zigarette aus der Tasche, steckte sie in den Mund und erschrak wieder, als Nettlingers Feuerzeug so plötzlich vor seiner Nase klickte und die hellblaue, saubere Flamme ihm fast die Wimpern versengte. ›Und deine Höflichkeit‹, dachte er, ›ist schlimmer als deine Unhöflichkeit je war. Deine Beflissenheit ist die gleiche geblieben, es ist die, mit der du mir den
    Schlagball ins Gesicht geworfen hast und mit der du mir jetzt auf eine lästige Weise Feuer für meine Zigarette gibst.‹
    »Wann wird Robert erreichbar sein?« fragte er.
    »Wahrscheinlich erst am Montag, ich konnte nicht rauskriegen, wohin er übers Wochenende gefahren ist; auch sein Vater, seine Tochter, alle sind weg; vielleicht kannst du's heute abend in seiner Wohnung versuchen, oder morgen früh um halb zehn im Hotel Prinz Heinrich; dort spielt er zwischen halb zehn und elf immer Billard. Sie sind im Gefängnis hoffentlich nicht grob zu dir gewesen?«
    »Nein«, sagte Schrella, »korrekt.«
    »Sag mir, wenn du Geld brauchst. Mit dem, was du hast, wirst du nicht weit kommen.«
    »Ich denke, bis Montag wird es reichen; ab Montag werde ich Geld haben.«
    Zum Bahnhof hin wurde die Autoschlange länger und breiter. Schrella versuchte, das Fenster zu öffnen, kam aber nicht mit den Handgriffen zurecht, und Nettlinger beugte sich über ihn, drehte das Fenster herunter.
    »Ich fürchte«, sagte er, »die Luft, die da

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