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Billard um halbzehn

Billard um halbzehn

Titel: Billard um halbzehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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erscheint; das ist ein harmloser Herr Krott, der sonntags ins Kleinauto steigt, um mit seiner Familie nach Sankt Anton zu fahren und dort dem Hochamt beizuwohnen; den wievielten Sonntag nach Pfingsten haben wir heute, den wievielten Sonntag nach Epiphanie, nach Ostern? - ein lieber Mensch, mit einer lieben Frau und zwei lieben Kinderchen:
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    ›Sieh mal Ruth, ist unser Fränzchen nicht gewachsen?‹ ›Ja, Herr Krott, Ihr Fränzchen ist gewachsen!‹, und ich denke nicht mehr daran, daß mein Leben an einem Haar hing; nein; ich hab auch zweihundertmal ganz brav geschrieben: ›Du sollst nicht stehlen‹; und natürlich sag ich nicht nein, wenn Konrad Gretz eine Party gibt; da gibt's herrliche Gänseleberpastete mit Kräuterbutter auf Weißbrot, und wenn man jemand auf den Fuß tritt oder jemand das Weinglas umstößt, sagt man nicht:
    ›Entschuldigen Sie bitte‹, sagt auch nicht: ›Pardon‹, sondern:
    ›Sorry‹.
    Warm ist das Gras am Straßengraben, würzig ist Josephs Zigarette, und mir schmeckte das Honigbrot noch, als ich erfuhr, daß es Vater war, der die Abtei in die Luft gejagt hat; herrlich, Denklingen dort hinten in der Abendsonne; sie müssen sich beeilen, zum Umziehen brauchen wir mindestens eine halbe Stunde.
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    »Kommen Sie nur her, General. Sie brauchen sich nicht zu schämen; alle Neulinge werden zuerst mir vorgestellt, denn ich bin am längsten in diesem hübschen Haus hier; warum schlagen Sie mit Ihrem Spazierstock Kerben in die unschuldige Gartenerde, schütteln dauernd den Kopf, vor jeder Mauer, vor der Kapelle, am Gewächs haus und murmeln: ›Schußfeld‹?; übrigens ein hübsches Wort: ›Schußfeld‹; freie Bahn den Kugeln und Geschossen; Otto, wie? Kösters? Nein, keine Intimitäten, keine Namen nennen, und der Name Otto ist außerdem besetzt; darf ich Sie also ›Schußfeld‹ nennen? Ich sehe es Ihnen an, höre es aus Ihrer Stimme heraus, rieche es an Ihrem Atem: Sie haben vom Sakrament des Büffels nicht nur gekostet, sondern davon gelebt, konsequente Diät gehalten. Nun hören Sie einmal zu, Neuer, sind Sie katholisch? natürlich, das Gegenteil hätte mich überrascht; können Sie ministrieren?
    natürlich, Sie sind von katholischen Patres erzogen; verzeihen Sie, daß ich lache; wir suchen hier schon seit drei Wochen einen neuen Ministranten; den Ba llosch haben sie als geheilt entlassen; wie war's, wenn Sie sich hier ein bißchen nützlich machten? Du bist doch ein harmloser Irrer, nicht gewalttätig, hast nur den einen und einzigen Tick, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit ›Schußfeld‹ zu murmeln; du wirst doch das Meßbuch von der rechten auf die linke, von der linken auf die rechte Altarseite tragen können; wirst vorm Tabernakel eine Kniebeuge machen können, wie? Du bist doch kerngesund, das gehört zu deinem Beruf, du kannst das Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa an die Brust schlagen, kyrie eleison sagen; na, siehst du, wozu ein gebildeter, bei katholischen Patres erzogener General noch zu gebrauchen ist; ich werde Sie dem Anstaltspfarrer als unseren neuen Ministranten vorschlagen; du bist doch einverstanden, nicht?
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    Danke; man spürt doch gleich, was ein Kavalier ist; nein, bitte hier herum, zum Gewächshaus, ich will Ihnen mal was zeigen, was zu Ihrem Handwerk gehört, und bitte, keine unangebrachten Galanterien, keine Tanzstundenkomplexe an mir auslassen, bitte; ich bin siebzig, Sie dreiundsiebzig, keine Handküsse, keine Greisenpoussagen; lassen Sie doch den Unsinn; hör mir mal zu: siehst du, was da hinter der hellgrünen Glasscheibe zu sehen ist? Ja, das sind Waffen, das ist unseres guten Obergärtners Arsenal: damit werden Hasen und Rebhü hner, Krähen und Rehe geschossen, denn unser Obergärtner ist ein leidenschaftlicher Jäger, und da zwischen den Gewehren liegt so ein hübscher, handlicher schwarzer Gegenstand, eine Pistole; nun pack mal aus, was du als Fähnrich oder als Leutnant gelernt hast, und sag mir: ist so ein Ding wirklich lebensgefährlich, kann man damit jemanden umbringen? Nun werd mir nicht blaß, alter Haudegen, hast zentnerweise vom Sakrament des Büffels gegessen und wirst mir hier schwach, wenn ich dir ein paar einfache Fragen stelle; fang doch nicht an zu zittern, ich bin zwar ein bißchen verrückt, aber ich werde dir nicht die Pistole auf deine dreiundsiebzigjährige Brust drücken und dem Staat die Pension ersparen; ich denke gar nicht dran, dem Staat was zu ersparen; gib mir auf klare militärische

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