Bille und Zottel 02 - Zwei unzertrennliche Freunde
Türen und Fenster, und das Publikum strömte zusammen. Gleich beim ersten Haus wurden sie mit einem Korb voller Rosinenbrötchen und Apfel beschenkt. Die Jungen reichten ihn andächtig weiter, und jeder schnupperte gierig daran.
„Nun laßt mich doch auch mal riechen“, mahnte Bille, und Jens reichte ihr den Korb herüber.
Schnapp! Zottel fischte sich blitzschnell einen Apfel, während der Korb an seiner Nase vorüberwanderte.
„He! Der braucht ja ‘n Maulkorb!“ Jens hob wütend die Hand.
„Wag es ja nicht, Zottel zu schlagen! Du bist selber schuld, wenn du ihm die Sachen so dicht vor die Nase hältst.“
Zottel kaute zufrieden an seinem Apfel. Er hatte schon lang nicht mehr für einen Auftritt eine so gute Gage bekommen, die Rolle schien sich zu lohnen. Interessiert verfolgte er, wie der Inhalt des Korbes in den Sack umgeladen wurde.
Weiter ging der Zug. Sie sangen und rezitierten mit viel Begeisterung, und überall, wo sie hielten, kullerten Apfel, Kekse oder Schokolade in den Sack. Manchmal waren auch ein paar blanke Markstücke darunter — für das Ponyfutter, wie die Leute sagten.
Ein paar Kinder folgten ihnen in respektvollem Abstand. Sie hofften wohl, auch etwas von den guten Gaben zu erben, die da so reichlich verteilt wurden. Aber da kamen sie bei den Jungen schlecht an. Wir sind schon so viele, hieß es und: Geht doch selbst singen!
Bille, die sich zuerst bemüht hatte, den Eindruck zu erwecken, sie habe mit der Sache nichts zu tun und gehe nur als Aufpasser für die Kleinen mit, bekam allmählich Spaß an dem Auftritt. Sie sang und spielte kräftig mit. Nur Zottel war die Lust vergangen. Die entwürdigende Schminkprozedur hatte er noch geduldig über sich ergehen lassen. Aber daß nun ständig die köstlichsten Leckerbissen an seiner Nase vorbeigereicht wurden, ohne daß er die kleinste Kostprobe bekam, ärgerte ihn mehr und mehr. Zudem bearbeitete Jens ihn unbarmherzig mit den Absätzen seiner Stiefel und spielte sich als großartiger Reiter auf Wäre Bille nicht gewesen, Zottel hätte diesen kleinen Angeber auf seinem Rücken mit einem kurzen Bocksprung in den Dreck befördert.
„Sankt Maaar-tin , Sahankt Maaar-tin ,
Sahankt Martin ritt bei Schnee uhund Wind,
sein Roß , das trug ihn fort geheschwind,
Sankt Martin ritt mihit frohem Mut,
Sahein Mantel deckt ihn waharm und gut“,
tönte es die Dorfstraße hinauf und hinunter. Jetzt waren sie beim letzten Hof an der Hauptstraße angelangt. Frau Klepka , die alte Bäuerin, hatte ihnen mit Tränen der Rührung in den Augen zugehört.
„Och, war das schön, Kinnings “, sagte sie bewegt. „Genau wie früher, als ich noch so ‘n lüttes Ding war! Aber nu kommt man alle rein, ich hab ‘nen schönen heißen Kakao für euch. Müßt ja ganz durchgefroren sein!“
Das waren sie wirklich, die Einladung kam ihnen gerade recht. Sie banden Zottel mit dem Zügel an die Stalltür, den Sack ließen sie auf dem Sattel zurück.
In Frau Klepkas Küche war es warm und gemütlich. Es gab frische Krapfen zum Kakao, und nachdem sie gegessen und getrunken hatten, ließ sich Frau Klepka noch einmal die Lieder und Sprüche vortragen, die sie selbst schon als Kind gesungen hatte. Dann erzählte sie aus ihrer eigenen Kinderzeit.
Als sie nach über einer Stunde aus dem Haus traten, war Zottel verschwunden.
„Der Sack ist weg!“ schrie Jens entsetzt.
„Idiot! Zottel ist weg! Das ist viel schlimmer!“ schimpfte Bille. „Na los, alle Mann auf die Suche, aber ein bißchen dalli, wenn ich bitten darf. Ich bin schließlich für das Pony verantwortlich! Wahrscheinlich haben sich die anderen Kinder an euch rächen wollen, weil ihr ihnen nichts abgeben wolltet, und haben ihn losgebunden.“
„Und uns den Sack geklaut!“ sagte Kuddel erbost. „Na, die können was erleben!“
„Also, erst mal müssen wir Zottel finden, alles andere ist nebensächlich“, erklärte Bille. „Wir schwärmen nach allen Seiten aus und treffen uns in einer halben Stunde am ,Krug’ . Nehmt ihr die Höfe und Dorfstraßen unter die Lupe, ich gehe den Weg nach Groß- Willmsdorf hinunter. Vielleicht ist er zum Stall gelaufen.“
Ein schöner Reinfall! Wenn der Sack verschwunden blieb, war die ganze Mühe umsonst gewiesen. Die Jungen machten sich knurrend auf die Suche, wobei ihnen weit mehr daran lag, den Sack mit den Süßigkeiten zurückzubekommen und sich an den Dieben handgreiflich rächen zu können, als Billes Pony wiederzufinden.
Von den vermeintlichen Dieben war
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