Bille und Zottel 10 - Im Hauptfach Reiten
würden.
Die Schlafräume der Schüler bekamen Namen, jeder den eines berühmten Pferdes. Das hatte sich Bettina ausgedacht. Für die Klassenräume wählten sie Namen der bekanntesten Turnierplätze; und jeder dieser Namen wurde in schwungvollen Buchstaben auf ein farbiges Holzschildchen gemalt und hübsch umrandet.
Dann entwarfen sie eine Stall- und Hofordnung. Bettina steuerte ein paar lustige Federzeichnungen bei, Bille bemühte sich um ihre schönste Sonntagsschrift, und Florian focht einen heißen Kampf mit dem Fotokopiergerät aus, ehe sie einen Stapel säuberlich vervielfältigter Plakate in Händen hielten, die sie nun an den Innenseiten der Schlafraumtüren befestigen konnten.
Schließlich durchstöberten sie auf dem Speicher jene Kisten voller Erinnerungsstücke, die Hans Tiedjen wegen des Platzmangels in der neuen Wohnung hier zurückgelassen hatte.
„Schaut euch das an — ich komme mir vor wie ein Schatzgräber!“ Bille hob begeistert einen Umschlag mit vergilbten Fotos hoch. „Pferdeaufnahmen aus der Zeit von Daddys Vater und Großvater. Und hier: alte Zuchtbücher, Stammbäume, Urkunden!“
„Hier sind Zeitungsartikel und Fotos von den Turnieren!“ rief Bettina. „Kinder, das ist ’ne Wucht! Mit dem Material können wir das ganze Haus ausstaffieren. Die großen Bilder und Urkunden rahmen wir einzeln, aus den anderen fertigen wir witzige Collagen an. Dann noch ein paar Hufeisen und ausrangiertes Reitzubehör an die Wände... “
„Oh! Schnell, kommt her! Das ist einsame Spitze!“ Florian kniete hingerissen über einem alten Koffer. „Echte Kupferstiche! Und alles Pferdemotive! Spanische Reitschule, Wien, englische Vollblüter, hier eine Serie Kutschwagen..., und da, eine Schleppjagd.“
„Die kommen in die Aula und in den Speisesaal“, entschied Bille. „Außerdem hat Daddy mir versprochen, uns ein paar seiner Preise und Plaketten zu Dekorationszwecken zu überlassen. Ebenfalls für die Aula und für die Bibliothek.
Habt ihr die Sammlung Pferdebücher gesehen, die er gestiftet hat? Neidisch könnte man auf die Internatler werden!“
„Vorhin habe ich dieses Lehrerehepaar kennengelernt, die ein eigenes Pferd mitbringen“, berichtete Bettina. „Süß, sage ich euch!“
„Wer, die Lehrer?“
„Quatsch, das Pferd! Eine Dunkelfuchsstute, noch ganz jung. Die haben sie aus Polen mitgebracht. Da verbringen sie immer ihre Ferien, auf einem Gestüt. Körber heißen sie.“
„Hm, die waren mir gleich sympathisch. Reiten super. Hoffentlich kriegen wir einen von ihnen im Unterricht.“
„Weißt du, was sie unterrichten?“
„Deutsch, Latein, Englisch und Geschichte, glaube ich.“
„Wetten, daß ihr die netten Lehrer kriegt?“ maulte Florian. „Ich muß mich dann mit dem gräßlichen rumschlagen, der vorhin angekommen ist. Habt ihr ihn gesehen? So einer mit Glatze und einem gewaltigen Schnauzbart? Der schaut einen an, als fräße er jeden Tag drei kleine Kinder zum Frühstück!“
„Genau. Drei kleine Reiter — mit Stiefeln und Sporen, die Sporen zuerst, als Leckerbissen!“ Bettina kicherte.
„Hoffentlich unterrichtet der nicht Mathe und Physik“, stöhnte Florian. „Dann bin ich aufgeschmissen. Er sieht aus, als habe er kein Fünkchen Humor.“
„Sicher nicht den Humor, den er braucht, wenn er deine Schrift sieht“, spottete Bettina. „Na ja, warten wir’s ab. Hauptsache, die neuen Schüler sind in Ordnung.“
„Ja, auf die bin ich echt gespannt“, meinte Bille nachdenklich. „Glaubt ihr, daß das alles fürchterliche Snobs sind? Ich meine... Reiter-Internat, das hört sich so elitär an. So nach: ,Mein Vater, der Generaldirektor! Wenn Sie mir eine Sechs geben, kauft er den ganzen Laden hier und feuert Sie !‘ Billig ist es ja gerade nicht, hier Schüler zu werden.“
„Kann schon sein, daß ein paar von den Typen drunter sind. Aber alle sind bestimmt nicht so. Und die paar miesen werden wir schon in die Mangel nehmen!“ sagte Florian hoffnungsvoll. Wer hier die Nase zu hoch trägt, der wird in der Reithalle so lange gescheucht, bis er vor Erschöpfung nachts in den Stiefeln schläft.“
Am nächsten Tag kurz nach dem Mittagessen brach der Sturm los. Ein Bus brachte einen Teil der neuen Schüler vom Bahnhof Neukirchen nach Groß-Willmsdorf. Die anderen kamen mit Privatwagen, manche mit Anhänger, begleitet von besorgten Eltern und neugierigen Geschwistern. Auch die vierbeinigen Familienmitglieder waren dabei: kläffende Nervensägen im Taschenformat und
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