Bille und Zottel 15 - Pferde im Schnee
Viel lauter und aufregender als vorhin und ganz nahe! Magisch angezogen folgte Zottel den Klängen. Ein paar flache Stufen führten am Ende des Ganges hinauf in einen weiteren Gang, an dessen Ende Zottel einen Lichtschimmer sah.
Behutsam Huf vor Huf setzend, schob das rundliche Pony sich bis zur Tür vor. Dort verharrte Zottel, denn jetzt ertönte der wohlvertraute Baß des dicken, bärtigen Lehrers, den sie Ignaz den Schrecklichen nannten und vor dem auch Zottel einen gewissen Respekt hatte.
Nun wurde applaudiert. Wieder sprach jemand, diesmal waren es junge Stimmen. Zottel lauschte. Wann kam sein Auftritt? Warum war Bille nicht hier, um mit ihm die Manege zu betreten? Von neuem Applaus. War er jetzt dran? Vorsichtig schob er den Kopf durch die Tür und zog ihn gleich darauf ärgerlich zurück. Sie hatten den Eingang zur Manege mit einem riesigen Baum verstellt, das war ihm in seinen ganzen früheren Zirkusjahren nicht passiert!
Aber halt! Irgend etwas Außergewöhnliches hatte dieser Baum. Er duftete nicht nur nach Tannennadeln, sondern nach weit angenehmeren Dingen. Schokolade, Lebkuchen, Äpfel. . ., war das möglich? Das lohnte sich, näher untersucht zu werden.
Zottel startete von neuem, sachte schob er die Tür ein wenig weiter auf, machte einen Schritt und noch einen und reckte seinen Hals, so lang es ging.
Die Schokoladenkringel waren besonders schmackhaft. Und die Herzen aus Lebkuchenteig. Nur schade, daß an der Rückseite des Baumes so wenig hing, er mußte durch den Baum hindurch bis zur Vorderseite dringen, die dicht mit diesen Köstlichkeiten geschmückt war. Zottel legte den Kopf schief und zwängte ihn durch die mit spitzen Nadeln besetzten Zweige. Es klirrte leise, zwei Kugeln gingen zu Boden, aber die waren ohnehin ungenießbar. Die Stimmen verstummten.
Zottels Lippen befanden sich gerade im Anmarsch auf einen schokoladeüberzogenen Lebkuchenreiter, als die Musik wieder einsetzte. Das Orchester spielte ein paar Takte, dann fiel laut der Chor ein.
„Vom Himmel hoch, da komm ich her . . ."
Über ihm rauschte es wie ein einsetzender Sturm. Um ihn herum prasselten vergoldete Nüsse und zersplitternde Kugeln zu Boden. Dann sah er nur noch grün, unaufhaltsam senkte sich der Baum über ihm und stürzte in den Saal, begrub Kaffeetassen und Kuchenteller, die vorn sitzenden Lehrer und Schüler, Musikinstrumente und ein halbes Dutzend als Engel verkleidete Chorsänger unter sich. Nur Zottel ragte wie ein Denkmal aus dem Tannendickicht und blickte erstaunt in die Runde.
Ferienfreuden, Ferienleiden
„Nimm ihn ein bißchen zurück . . ., ja, so ist es gut! Und wieder treiben . . . und einfangen . . . He, siehst du, wie der jetzt durchlässig geworden ist? Ihr zwei seid wie aus einem Guß, super!“ lobte Simon.
Bille parierte San Pietro zum Schritt und kam in die Mitte der Bahn. Seufzend strich sie sich eine Locke aus der schweißverklebten Stirn.
„Alles gut und schön, mein Lieber, aber ich kann nicht mehr. Mein Hintern fühlt sich an, als hätte ich nur noch das rohe Fleisch drauf. Elf Pferde an einem Tag! Ich sehne die Stunde herbei, in der die Internatler zurückkommen.“
„Du hast recht , mir reicht’s auch. Was glaubst du, weshalb ich hier unten stehe und nicht im Sattel sitze! Mach noch zwei, drei Runden im Schritt, und dann laß ihn ein bißchen in der Halle toben.“
Bille ritt in den Hufschlag zurück und ließ den Fuchswallach am langen Zügel gehen. Der schritt kräftig aus, seine Kraftreserven waren noch nicht erschöpft. Aber seine Reiterin ließ sich einfach vornüber auf seinen Hals fallen, hielt die Zügel locker in der linken Hand, während sich die rechte in seiner Mähne vergrub, und schloß die Augen. Jetzt im Bett liegen und schlafen, zwölf Stunden durchschlafen, und dann eine Stunde lang in einer randvollen Badewanne liegen. Oder umgekehrt. Erst in die Wanne, das Badewasser duftend nach einem sanftcremigen Badezusatz, der der Haut Wohltat und heilend auf die wunde Hinterpartie wirkte. Einen spannenden Schmöker in der Hand und vielleicht noch ein großes Glas mit frisch gepreßtem Orangensaft daneben und den bunten Teller mit dem Weihnachtsgebäck.
San Pietro weckte sie unsanft aus diesen Träumen. Er machte ein paar Bocksprünge, und Bille bekam einen heftigen Nasenstüber und rutschte fast aus dem Sattel.
Simon lachte. „Also, als Schlafsofa kannst du San Pietro wirklich nicht mißbrauchen! So was kannst du allenfalls mit Zottel machen. Na komm, satteln wir ihn
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