Bille und Zottel 15 - Pferde im Schnee
wissen, daß er fertig abgewaschen und bereit für das Solarium sei. Bille hatte dem Wallach sein Stallhalfter übergestreift und führte ihn unter die mit Lampen besetzte, einem runden Dach ähnelnde Haube am Ende des Seitenganges.
Hinter ihr klappte die Tür, Hubert, der Stallpfleger im Tiedjenschen Privatstall und Assistent des alten Petersen, der hier das Regiment führte, kam zu ihnen heran.
„Was’n das hier für ’ne Sauerei“, maulte er und zeigte auf die Lache voller Torfmull-Schlamm am Boden.
„Keine Sorge, ich putz’ es gleich weg. Das habe ich eben von San Pietro runtergeholt“, beruhigte Bille ihn.
„Das ist auch gut so, hab’ wirklich was Besseres zu tun, als euern Dreck wegzumachen.“ Brummelnd verschwand er in der Sattelkammer.
„He, was bist du heute so schlecht gelaunt?“ rief Bille hinter ihm her. „Ist was passiert?“
In der Sattelkammer rumste es, Schranktüren wurden aufgerissen und zugeschlagen, Eimer schepperten.
„Nichts ist los, außer daß ich meinen freien Tag nicht kriege! Und wir wollten zum sechzigsten Geburtstag vom Schwiegervater fahren, Bruni und ich. Hatten uns schon auf das Fest gefreut. Richtiger großer Familientag!“
„Und warum kannst du nicht fahren?“ erkundigte sich Simon.
„Petersen muß ins Krankenhaus. Leistenbruch. Sie sagen, er kann die Operation nicht mehr aufschieben, sie haben ihn gleich dabehalten.“
Ärgerlich warf Hubert einen Besen gegen die Putzkiste. Natürlich tat ihm Petersen leid, und es war gar keine Frage für ihn, unter diesen Umständen auf seinen freien Tag zu verzichten. Aber daß das nun ausgerechnet an dem Tag passieren mußte, auf den er und seine Bruni sich seit Wochen gefreut hatten, das empfand er als eine ungeheure Ungerechtigkeit des Schicksals.
Bille, die San Pietro unter dem Solarium zurückgelassen hatte, wo der Wallach zufrieden vor sich hin döste, kam in die Sattelkammer und hob den Besen auf.
„Hubert, du bist ein Trottel“, sagte sie ungerührt. „Du weißt doch ganz genau, daß wir dich nicht im Stich lassen. Natürlich nimmst du deinen freien Tag. Die Arbeit wird uns nicht umbringen.“
„Aber ihr habt drüben im Schulstall schon alle Pferde zu versorgen, wo Achmed im Urlaub ist“, widersprach Hubert weinerlich. „Das schafft ihr doch nie!“
Bille und Simon sahen sich an. Hubert hatte recht , es war eine Menge Arbeit — die Schulpferde, die Fohlen, die Stuten. Und auf die Koppel konnte man sie bei diesem Dauerregen nicht lassen, das Gras wäre auf Monate hinaus ruiniert.
Die Pferde mußten geritten oder longiert werden oder wenigstens in der Halle laufen. Trotzdem, irgendwie würde es gehen.
„Das laß unsere Sorge sein“, sagte Bille und boxte Hubert freundschaftlich vor die Brust. „Kannst uns zum Dank ein Stück Geburtstagstorte mitbringen. Für jeden eins, versteht sich.“
Auf Huberts Stirn glätteten sich die Falten, langsam breitete sich ein zufriedenes Grinsen auf seinem Gesicht aus.
„Also, ich hätt’s mir ja denken können. Ihr seid große Klasse. Eigentlich kann ich das gar nicht annehmen. Na, vielleicht kann ich mich mal irgendwie erkenntlich zeigen.“ Wenn Hubert gerührt war, wurde er immer feierlich.
„Klar doch.“
Bille ließ ihren Blick wie zufällig über die Pfütze in der Stallgasse wandern. Es wirkte.
„Und den Dreck da“, beeilte sich Hubert zu sagen, „den mache ich gleich weg, macht ihr man jetzt Feierabend.“
„Sind schon verschwunden. Gute Nacht, Hubert!“ Simon legte den Arm um Bille und zog sie nach draußen.
Zwanzig Minuten später saßen sie in Leesten in der Pizzeria und studierten andächtig die Karte. Wie immer fiel es ihnen schwer, sich zu entscheiden, und Bille fand, bei ihrem Bärenhunger könne sie sich die Qual der Wahl eigentlich sparen und gleich die Karte von oben nach unten durchessen. Sie fing erst einmal mit einer Portion Spaghetti in Gorgonzolasahne an. Simon hatte einen leichten Rotwein bestellt und schenkte ihr ein.
„Wenn das Mutsch sähe! Na, heute haben wir es verdient. Eigentlich sind wir schon richtige Pechvögel!“
„Wieso das?“
„Na ja, Florian ist weggefahren, um mit seiner Nico Ski zu fahren, Tom und Bettina sind in Amerika, um Toms Mutter in Kalifornien zu besuchen, Daniel ist über Silvester mit zu Joys Eltern gefahren — nur wir hocken zu Hause und kümmern uns um ihrer aller Pferde. Und das ist jedesmal in den Ferien so. Sind wir einfach zu blöd, oder woran liegt das?“
„Ich nehme an, es liegt
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