Bille und Zottel 15 - Pferde im Schnee
ab und lassen ihn laufen. Er hat genug getan!“
Bille hielt vor ihm an und rutschte aus dem Sattel. Wie ein Kartoffelsack hing sie an Simons Schulter, die Augen geschlossen und herzerweichendes Schnarchen spielend. „Ja, du armes, geprügeltes kleines Mädchen, du tust mir so schrecklich leid“, spottete Simon liebevoll, „am besten bringe ich dich gleich ohne Abendbrot ins Bett.“ Bille fuhr hoch, alle Müdigkeit war aus ihrem Gesicht verschwunden.
„Ohne Abendbrot? Spinnst du, wir wollten doch in die Pizzeria gehen?“
„Klar, aber ich habe den Eindruck, daß du dazu viel zu müde bist!“
„Zum Essen bin ich nie zu müde!“
„Das beruhigt mich. Ich nämlich auch nicht. Schon die ganze Zeit sehe ich wie eine Fata Morgana eine Pizza Vier Jahreszeiten vor meinem geistigen Auge, nebst einer Riesenschüssel Salat und einer doppelten Portion Tiramisu.“
Simon löste sich aus Billes Umarmung und nahm San Pietro den Sattel herunter. Bille löste die Schnallen der Trense, und der Wallach tobte los, kaum daß er von der Last befreit war. Er galoppierte zwei Runden, schnaubte begeistert, buckelte ein paarmal heftig und keilte aus, als wolle er einen unsichtbaren Feind mit einem Schlag durch das Dach hinausbefördern, dann ließ er sich auf den Boden gleiten und wälzte sich mehrmals genüßlich von einer Seite zur anderen, bis jedes Fleckchen seines schweißnassen Fells von einer dichten Schicht Torfmull bedeckt war und er aussah, als hätte ihm jemand eine schlechte Dauerwelle verpaßt.
„Na ja, wer keine Arbeit hat, der macht sich welche“, stöhnte Bille. „Nur ein Glück, daß wir jetzt das Solarium im Stall haben. Ich wasche ihn mit warmem Wasser ab und stelle ihn zwanzig Minuten drunter.“
San Pietro sprang auf, schüttelte sich wie ein Hund und trabte auf Bille zu. Zärtlich blies er ihr ins Gesicht, dann legte er sein Maul sanft in ihre Hand und schloß halb die Augen. Jetzt wollen wir schmusen, hieß das, und später spielen wir dann noch ein bißchen. Bille kraulte ihn lächelnd. San Pietro machte einen Hüpfer von ihr weg und sah sie auffordernd an.
„Nein, mein Lieber, für heute machen wir Schluß. Ich bin total fertig, verstehst du? Es gibt nichts Anstrengenderes als Ferien!“
Simon nahm Sattel und Trense, und Bille warf dem Wallach eine Decke über. San Pietro folgte ihr wie ein Hündchen über den Hof in den Stall und stellte sich abwartend auf den Waschplatz.
„Wie schaffst du es eigentlich, daß deine Pferde dir nachlaufen, wohin du willst?“ meinte Simon kopfschüttelnd. „Bei Black Arrow ist es doch genauso. Du brauchst kein Halfter, keine Trense, sie folgen auf Pfiff.“
„Nicht auf Pfiff. Auf gutes Zureden und Zärtlichkeit. Sie sind eben intelligent. Sie verstehen mich, und ich verstehe sie.“
„Intelligent sind meine auch. Trotzdem hauen sie mir ab, wenn sie die Möglichkeit haben!“ widersprach Simon und warf einen Blick zu Jamaika hinüber, die ihn mit einem zärtlichen Brummen grüßte.
„Du bist ein Mann. Das ist der Unterschied.“ Bille grinste ihn über den Pferderücken hinweg an. „Und sie sind weibliche Wesen. Feodora, Jamaika, Pünktchen, Sindy. Frauen lieben es nun mal, Männer zu necken und ein bißchen auszutricksen. Ich ausgenommen natürlich.“
„Und was ist dann mit Nathan?“
„Nathan ist ein würdiger älterer Herr, er sieht in dir wahrscheinlich immer noch ein Kind. Nie würde er auf den Gedanken kommen, dir nachzulaufen wie ein Hund. Bei mir ist das was anderes. Black Arrow und San Pietro sehen in mir das Mädchen und fühlen sich als Kavaliere“, beteuerte Bille.
„Sag bloß, daß sie mit dir flirten!“
„Auf ihre Art vielleicht? Sie mögen mich.“
„Wieder was gelernt fürs Leben. Allerdings hatte ich schon lange den Verdacht, daß du durch eine Art Geheimsprache mit deinen Pferden kommunizierst.“
„Das habe ich von Johnny gelernt. Altes Indianerwissen“, sagte Bille ernst. „Ich bin seine Schülerin.“
„He, da muß ich mich wohl in acht nehmen, wenn du mir was zu trinken gibst. Am Ende ist’s ein Zaubertrank oder ein tückischer Schlummertrunk mit Zeitzünder, den du mir vor dem nächsten Turnier verabreichst.“
Bille kicherte. „Wenn schon, dann mische ich einen geheimnisvollen Liebestrank, der dich für immer an mich bindet und dich beim Herannahen hübscher Mädchen augenblicklich blind macht!“
„Ich habe den Eindruck, das hast du längst getan“, sagte Simon und ließ San Pietro durch einen Klaps
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