Bille und Zottel 16 - Pusztaferien und Ponybriefe
eine Weile beim Fressen zu.
„Sie scheinen sich wirklich ganz von dem Schrecken erholt zu haben“, meinte Bille und streichelte Mädi noch einmal über Hals und Kruppe. „Schlaft gut, ihr beiden, morgen habt ihr einen freien Tag, da könnt ihr euch erholen.“
Leni Bauer versprach ihnen, daß der Ferdl die Stuten nie wieder in die Finger bekommen würde. Ohnehin kam ja der Franz, ihr Mann, in drei Tagen aus dem Krankenhaus. Dann hatte alles wieder seine Ordnung. So verabschiedeten sie sich und wünschten ihr, ihrem Mann und den Stuten alles Gute.
Auf der Straße zog Simon Bille dicht zu sich heran. „Wir sind schon die richtigen Abenteurer! Statt uns mit der Kultur und Geschichte Wiens zu befassen. . .“
„. . . bringen wir zwei müde Fiakerpferde ins Bett“, vollendete Bille den Satz.
Das Wunder der weißen Hengste
Ihre Wirtsleute wußten bereits Bescheid: In den Lokalnachrichten im Radio hatte man über das unglaubliche Ereignis berichtet, und es war nicht schwer zu erraten gewesen, wer sich hinter diesem mutigen jungen Turnierreiter und seiner Freundin verbarg. Das mußte gefeiert werden! Aber nicht hier, in der Pension. Nein, jetzt sollten die jungen Gäste Grinzing kennenlernen.
Bille hatte Mühe, ein Gähnen zu unterdrücken. Der Tag war lang und aufregend gewesen, und am liebsten wäre sie sofort in einen festen Schlaf gesunken. Statt dessen wurden sie kurzerhand in ein Taxi verladen, und auf ging’s in das berühmte Dorf mit den zahlreichen Heurigenschenkern. Daß der Heurige ein junger Wein ist, aus der letzten Ernte sozusagen, daß man aber auch anderes dort serviert bekam, darüber wurden sie auf der Fahrt belehrt.
Als Bille und Simon ihren Gastgebern in das kleine Gartenlokal folgten, wo sie, des milden Abends wegen, am offenen Fenster sitzen und dem vielstimmigen Abendkonzert der Vögel lauschen konnten, war alle Müdigkeit verflogen. Und sogar der Hunger meldete sich wieder, ein Umstand, den Bille angesichts der Speisekarte sehr begrüßte.
Sie tranken Wein, aßen knusprige Backhendl, lauschten einem Akkordeonspieler, der melancholische Lieder über den Wein und die Liebe sang, ließen sich von einem alten Pensionär am Nebentisch die Unterschiede der einzelnen Weinsorten und Jahrgänge erklären und stießen mit ihren Gastgebern auf das Abenteuer vom Nachmittag an. Nach dem dritten Achtel Wein hielten sich Bille und Simon an den Händen und sahen sich immer öfter tief in die Augen.
Wie sie ins Bett gekommen war, wußte Bille am nächsten Morgen nicht mehr. Nur daß sie im Taxi mit ihren Gastgebern ununterbrochen gesungen hatte „Ja, ja, der Wein ist guat. . .“ und ähnliches, daran konnte sie sich schwach erinnern.
Der Tag begrüßte sie mit strahlendem Sonnenschein, und sie fühlten sich herrlich. Der Blick auf die Uhr allerdings versetzte Bille einen gelinden Schock.
„Du lieber Himmel, schon acht! Da wollten wir doch spätestens an der Hofreitschule sein, um das Morgentraining nicht zu verpassen!“
Der nächste Schreck wurde ihnen zum Frühstück serviert. Sie hatten m aller Eile einen Milchkaffee hinuntergegossen und ein Kipferl in den Mund gestopft, als es an der Haustür läutete. Sekunden später kam aufgeregt das Hausmädchen ins Zimmer.
„Da ist ein Herr von der Zeitung, der möchte Sie sprechen. Soll ich ihn heraufkommen lassen?“
Bille und Simon sahen sich an.
„Gibt es hier einen Hinterausgang?“
„Freilich, am Ende des Ganges ist der Dienstboteneingang“, erklärte das Mädchen.
„Dann sagen Sie dem Herrn bitte, wir wären schon fort. Komm, Bille.“
Hand in Hand stürmten sie die Hintertreppe hinunter, schlichen durch die Toreinfahrt bis an die Ecke, beobachteten den jungen Mann, der über die Sprechanlage mit dem Hausmädchen verhandelte, und rannten in die entgegengesetzte Richtung davon.
Zwanzig Minuten später kamen sie an der Spanischen Hofreitschule an. Beim Anblick der Menschenschlange, die an der Kasse um Karten für das Morgentraining anstand, verließ sie aller Mut. Trotzdem reihten sie sich in die Kette der vielen hundert Wartenden ein, in der unsinnig erscheinenden Hoffnung auf ein bißchen Glück.
„Wenn wir heute nicht reinkommen, schaffen wir es vielleicht morgen“, sagte Bille tröstend. „Und schließlich haben wir noch die Karten für die Vorstellung morgen abend. Ärgern wir uns also nicht.“
Simon legte ihr den Arm um die Schultern und sah sie zärtlich an. „Solange ich mit dir auf Reisen bin, kann mich gar nichts
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