Bille und Zottel 16 - Pusztaferien und Ponybriefe
barocke Reithalle in der Stadt, in der sie den Vormittag verbracht hatten, die Winterreitschule genannt wurde. Schloß Schönbrunn - das versprach ein interessanter Nachmittag zu werden.
Und es wurde ein Ferientag, wie sie ihn sich seit Jahren erträumt hatte. Die Sonne schien kräftig, der Frühling schien in Kaskaden frischgrüner Blätter und zarter Blüten überzuschäumen, die Luft war mild und würzig zugleich, und Bille meinte, wo sie ging und stand, Musik zu hören. Aber die, so sagte sie sich, kam wohl aus ihr selbst.
Bernd führte sie durch den Park, vorbei an den Brunnen mit den Quellnymphen, und wußte zu erzählen, daß Schönbrunn einer Quelle seinen Namen verdankt. Er erzählte viel über die Geschichte und die Bewohner des Schlosses, dann ging es auf den großen Platz vor der Prunkfassade des langgestreckten Gebäudes. Hier, umgeben von gepflegten Blumenrabatten, vor dem Hintergrund eines gewaltigen Springbrunnens, hatten, wie Bernd ihnen erzählte, die Lipizzanerhengste ihre Kunst schon vor vielen gekrönten Häuptern gezeigt.
Bernd wußte gut Bescheid, er beantwortete unermüdlich ihre Fragen. Über die Zucht der Lipizzaner in Piber, wo sie die ersten drei Lebensjahre von Mai bis September auf Almweiden verbrachten, über die Stammbäume der edlen Hengste, über die vierhundert Jahre alte Kunst der Dressur und die vielen Traditionen, denen man sich auch heute noch verpflichtet fühlte.
„Mir wird ganz feierlich, wenn ich das alles höre“, gestand Bille. „Es ist eine ganz andere Reiterwelt als die, in
der wir leben. Unser Umgang mit Pferden kommt mir dagegen fast barbarisch vor. Wir treiben sie über Hindernisse oder quer durch Wald und Feld wie einstmals die alten Germanen.“
„Jetzt übertreibst du aber.“ Simon knuffte sie liebevoll in die Seite. „Ohne eine große Portion Einfühlungsvermögen und Geduld kommen wir in unserer Arbeit auch nicht zum Erfolg.“
„Stimmt. Da fällt mir etwas ein: Bernd hat eben einen Satz seines Lehrers zitiert: Der Reiter denkt, und das Pferd führt den Gedanken aus. So ähnlich hat Daddy Tiedjen mir das in meiner ersten Reitstunde erklärt. Bei einem erstklassigen Reiter ist wohl immer so eine Art Gedankenverbindung zu seinem Pferd im Spiel.“
Der Meinung waren Bernd und Simon auch. Doch nun schlug ihr neuer Freund vor, zu einem Kontrastprogramm überzugehen und die Reiterei einmal zu vergessen. Wenn sie schon in Wien seien, dann müßten sie auch auf den Prater, das gehöre zu einem Wien-Besuch einfach dazu! Einmal ins Riesenrad und die Stadt im abendlichen Lichterglanz von oben betrachten. Einmal an einem frühlingsmilden Abend durch diesen traditionsreichen Vergnügungspark schlendern!
So geschah es, daß Bille Stunden später wieder leise singend die Treppe zu ihrer Pension hinaufstieg. Welch ein herrlicher Tag! Beim Abschied hatte Bernd ein wenig gedruckst. Sie hofften doch sicher, hatte er gesagt, daß er ihnen Karten für die sonntägliche Vorstellung der Spanischen Hofreitschule organisieren könnte. Aber das sei leider nicht möglich, die Karten seien seit Monaten ausverkauft. Da hatte Simon lächelnd in sein Portemonnaie gegriffen und die beiden Eintrittskarten vor Bernds Augen hin und her geschwenkt. Aber sie noch einmal zum Morgentraining hineinlassen, das dürfe er gern, hatte Bille hinzugefügt. Schließlich könne man immer etwas dazulernen.
Als sie dann am nächsten Abend in einer Loge des festlich geschmückten Reitsaals saßen, fast geblendet vom vielfach widergespiegelten Licht der glitzernden Kronleuchter, Girlanden und Blumengebinde bewunderten und eintauchten in die ersten Klänge der Musik Mozarts, da fühlte sich Bille wie in eine Märchenwelt versetzt. Unwillkürlich griff sie nach Simons Hand und drückte sie so fest, bis er leise ächzte. Als dann die ersten Reiter in die Bahn kamen und zur Begrüßung vor dem Gemälde des Bauherrn Aufstellung nahmen, sich die schneeweißen Hengste in ihrer rot-goldenen Gala-Aufzäumung in all ihrer Schönheit präsentierten, da war es, als ob sie ein leichter Stromschlag durchfuhr. Wie elektrisiert saß sie während der gesamten Vorführung auf der äußersten Kante ihres Sitzes und vergaß fast zu atmen, so fasziniert folgte sie den Schrittkombinationen und Figuren der Lipizzaner.
Und als die Reiter sich schließlich zur Abschluß-Quadrille formierten und die weißen Hengste ihr auf der Welt einmaliges Ballett vollführten, sah Simon auf dem Gesicht seiner Freundin zwei Tränen,
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