Billon, Pierre - Die fünfte Offenbarung.odt
…«
»Bravo! Sie sollten in diesem Sinne auch Ihre Tochter beeinflus-sen: Es wären zwei Wochen Ferien in der Sonne!«
»Die ersten seit fünf Jahren!«, sagte Kiersten mit einem unterdrückten Seufzen.
Der alte Richter lächelte ihr zu und zündete seine Pfeife an.
Kiersten hielt den Wagen vor dem Hotel an und warf einen Blick auf ihre Uhr. Lydia musste sich beeilen, wenn sie ihr Flugzeug nicht verpassen wollte. Wieso blieb sie sitzen, als ob sie noch alle Zeit der Welt hätte?
527
»Ich habe mich bei ihm nicht bedankt wegen Gabriella… oder sagen wir Maia, weil ich ihn nicht in Verlegenheit bringen wollte!«
»Wen?«
»Deinen Vater natürlich, wen denn sonst! Wieso sind denn die Formalitäten für die Kleine so im Handumdrehen abgewickelt worden? Da hat er doch bestimmt die Finger im Spiel gehabt!«
»Falls er da was gedreht hat, hat er das jedenfalls aus eigenem Antrieb gemacht«, entgegnete Kiersten. »Ich habe ihn nicht darum gebeten.«
Lydia schwieg, obwohl es unverkennbar war, dass sie noch etwas loswerden wollte. Sie wusste nur nicht recht, wie; dabei war sie doch wahrlich nicht auf den Mund gefallen. Als sie schon die Hand auf dem Türgriff hatte, setzte sie schließlich an:
»Hör mal, Inspektor MacMillan! Ich glaube, ihr habt da so ein Sprichwort in der Art von ›Saubere Rechnung macht gute Freunde‹!
Bist du auch dieser Meinung? Dann lass dir sagen: Ich will meinen Kaufpreis zurück!«
»Jetzt schau mal an! Wieso denn das?«
»Ich gönne mir Kerle, wenn sie mir gefallen. Und wenn mein Herz für sie nicht mehr Tick-Tack macht, lasse ich sie fallen. Und Thierry habe ich dir abgehandelt wie eine Swatch-Uhr, guten Glaubens.«
Kiersten musterte sie aufmerksam: Zwar hatten sich die hübschen Grübchen gebildet, doch das dazu gehörige Lächeln blieb aus. »Sie hat ja allen Ernstes ein Problem«, sagte sie sich überrascht, tat aber so, als ob sie nichts gemerkt hätte.
»Und du bist also nicht zufrieden …«
»Mach keine Witze! Der ist mir immer um drei Schritte voraus.
Ich weiß gar nicht mehr, was ich mir einfallen lassen soll, um ihm den Rang abzulaufen.«
»Was ist denn dann dein Problem, Frescobaldi?«
»Jetzt spiel doch nicht das Dummerchen! Wieso hast du mich nicht gewarnt? Ich hab mich echt verknallt in ihn! Wie verrückt!
528
Er fehlt mir schon richtig, und morgen Abend in Rom werde ich überall nach ihm Ausschau halten und ihn schrecklich vermissen!«
Kiersten lehnte sich zu ihr hinüber, nahm ihre Hände in die ihren, schaute ihr in die Augen und sagte mit veränderter Stimme:
»Du musst jetzt gehen. Du bist wirklich eine gute Freundin für mich geworden, Lydia. Ich muss dir das sagen für den Fall, dass du es nicht selbst gemerkt haben solltest. Auf die Rückerstattung wirst du allerdings lange warten müssen …«
»Darüber reden wir noch mal! Arrivederci, Mia cara! Pass auf dich auf!«
Das medizinische Betreuungszentrum von Mbaku-Bashi, etwa eine Stunde entfernt von der Hauptstadt, war während des Bürgerkriegs aufgegeben worden – nach dem Mord an zwei Ärzten, fünf Krankenschwestern und um die fünfzig Patienten. Obwohl nach dem Sturz Mobutus hier im ehemaligen Zaire die Ordnung wieder eingekehrt war, hatte die Hilfsorganisation Erde der Hoffnung es abgelehnt, ihre vormalige Tätigkeit in der Region wieder aufzunehmen.
Die bescheidene, aber gut ausgestattete Klinik diente seither als Unterkunft für Obdachlose.
Den Aufbau einer neuen Einrichtung hier hatte Pater Díaz de La Santa in die Hand genommen – ein Protege des neuen Präsidenten, wie es hieß. Der war ein gleichermaßen diskreter und energischer Mann und hatte rasch Anerkennung bei den Leuten der Gegend gefunden. Man rühmte sein Charisma und seine unermüdliche Hingabe. Sein Ruf hatte sich schnell verbreitet, und auch von ›Wunder-heilungen‹ war bereits die Rede. Wieso hatte Jenny Shamfeld im tiefsten Colorado von diesem hochwürdigen Pater etwas erfahren?
Aufgrund eines langen Schreibens, das sie von Doris Young über den Faxanschluss der amerikanischen Botschaft in Kinshasa erhalten hatte.
529
Doris litt schon seit ihrer Kindheit unter Asthma. Und obwohl sie weder besonders gläubig noch leicht beeinflussbar war, hatte sie sich entschlossen, diesen Wunderheiler aufzusuchen aufgrund der Gerüchte, die über ihn in Diplomatenkreisen in Umlauf waren.
»Die Wahrheit ist, dass ich nun schon seit über zwei Monaten keinen Anfall mehr hatte«, hatte sie Jenny mitgeteilt. Und sie hatte zum
Weitere Kostenlose Bücher