Bin ich hier der Depp
geht davon aus, dass sie sein vermeintlich positives Bild erhalten und ihn keinesfalls enttäuschen will – wie ein kleines Kind alles tut, die Erwartungen seiner Eltern zu erfüllen.
Wie gehen Sie damit um, wenn Ihr Chef Sie mit Komplimenten manipulieren will? Dürfen Sie ihm direkt sagen, dass Sie ihn durchschauen? Wenn Sie ihm die Manipulation vorwerfen, treiben Sie ihn in eine Abwehrhaltung: Er wird alles tun, Ihnen zu beweisen, dass seine Forderung an Sie unabdingbar ist. Das schwächt Ihre Position.
Besser geben Sie nur mit einem Augenzwinkern zu erkennen, dass Sie sein rhetorisches Manöver durchschaut haben. Eine gute Antwort der Assistenzärztin wäre gewesen: »Schön, dass Sie sich auf mich verlassen können! Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass diese Einschätzung unabhängig von meiner Antwort gilt.« Und nun hätte sie den Oberarzt mit seinen eigenen Waffen zurückdrängen können: »Und ich glaube von Ihnen, dass Sie eine ehrliche Antwort schätzen. Deshalb …«
Wenn Sie Manipulationsversuche mit Humor entlarven und durch Ihre Antwort zeigen, dass Sie dieselbe Waffe beherrschen, werden Sie bald als harte Nuss gelten, deren Nein kaum zu knacken ist.
5. Hören Sie das Interesse, nicht die Position
Geht es dem Oberarzt wirklich darum, seine Assistenzärztin fürs Wochenende zu verpflichten? Nein, hinter dieser Position steht ein Interesse: Er will sicherstellen, dass der Betrieb der Klinik reibungslos läuft, auch am Wochenende. Es lohnt sich, das Interesse von der Position zu unterscheiden. [138]
Das Beharren auf der Position führt zu einem Duell: Entweder die Mitarbeiterin tut, was der Chef fordert – dann setzt er sich durch. Oder sie verweigert, was er fordert – dann setzt sie sich durch. Diese Konstellation produziert Sieger und Verlierer. Dagegen kann der Blick auf das Interesse eine Win-win-Situation ermöglichen.
Angenommen, die Assistenzärztin wüsste, dass eine Kollegin ihren Wochenenddienst gerne nach vorne ziehen möchte. Angenommen, sie könnte dem Chefarzt eine Alternative aufzeigen, wie sich der Wochenenddienst organisieren lässt. Dann wäre ihr Nein für ihn leicht zu akzeptieren. Denn wichtig ist ihm nicht seine Position, sondern sein Interesse.
Darum sollten Sie sich bei jeder Forderung Ihrer Firma fragen: Welches Interesse steht dahinter? Wenn die Firma von Ihnen Überstunden verlangt, dann geht es nicht um die Überstunden, sondern um Mehrarbeit, die verrichtet werden soll. Wie könnte das auf anderem Wege gelingen? Haben Sie Ideen, wie sich die Arbeit vereinfachen ließe? Wie man bürokratische Hürden abschaffen könnte? Wie die Aufgaben effektiver zu verteilen wären? Dann kann es zu Dialogen wie diesem kommen:
»Diese Woche müssten Sie wieder Arbeitszeit dranhängen«, sagt der Chef.
Der Mitarbeiter antwortet: »Es ist Ihnen wichtig, dass wir mit dem Projekt noch fertig werden – damit der Kunde zufrieden ist.« (Hört das Interesse heraus.)
»Ja, wir müssen das unbedingt schaffen. Es ist zugesagt.«
»Ich habe eine Idee, wie wir das Arbeitstempo beschleunigen können. Wollen Sie sie hören?«
»Legen Sie los!«
»Im Moment hält uns die Dokumentation der einzelnen Schritte enorm auf. Dafür geht ein Drittel der Zeit drauf. Wenn wir das vereinfachen, sollten wir bis Ende der Woche fertig werden. Auch ohne Überstunden. Denn Überstunden gehen bei mir diese Woche nicht.«
Dieses Vorgehen bietet beiden Beteiligten einen Vorteil: Dem Mitarbeiter fällt es leichter, am Ende ein klares Nein zu sagen – schließlich ist er vorher auf die Interessen des Chefs eingegangen. Und dem Chef fällt es leichter, dieses Nein zu akzeptieren – schließlich wurde ihm ein anderer Weg aufgezeigt, der ihn ans Ziel seines Interesses führen kann.
6. Zeigen Sie auf, warum Ihr Nein dem anderen nützt
Wer eine Überforderung ablehnt, hat zunächst das Gefühl, seiner Firma zu schaden. Das Gegenteil ist wahr! Wenn der Stress Sie krank oder der Frust Sie zur Motivationsleiche macht, zahlt die Firma den Preis dafür. Darum ist es Ihre Pflicht gegenüber dem Arbeitgeber, Ihre Grenzen deutlich zu machen.
Zum Beispiel hätte die Assistenzärztin so argumentieren können:
»Es ist mir wichtig, dass ich voll konzentriert bei der Arbeit bin. Und im Moment, nach dem Wochenenddienst und mehreren Schichten, befindet sich meine Konzentration im Sinkflug. Ich muss meine Akkus am Wochenende wieder aufladen. Denn ich würde es mir nicht verzeihen, übermüdet einen Fehler zu begehen
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