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Bin ich hier der Depp

Bin ich hier der Depp

Titel: Bin ich hier der Depp Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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trällert mit. Der Hersteller Kögel wollte die Charts stürmen, indem er einen gleich zweisprachigen Heldengesang auf sich selbst verfasste:
    Kögel – hat einfach mehr drauf.
    Kögel – nimmt’s mit jedem auf.
    Kögel – legt immer gern vor.
    Kögel – simply more, simply more.
    Ob derjenige, mit dem es die Firma aufnimmt, am Ende der (angeblich) renitente Mitarbeiter ist? Ob »simply more« den Bedarf an Überstunden und »mehr drauf« die Arbeitsmenge auf dem Schreibtisch beschreibt?
    Gehirne weichspülen – das beherrscht natürlich auch Henkel. Der Mitarbeiter wird in der Firmenhymne mit der Neuigkeit verblüfft, dass die »Welt (…) ständig sich dreht«, damit »täglich Neues entsteht«. Und wer ist die »treibende Kraft« des Fortschritts dieser Welt? Man ahnt es: Henkel selbst!
    Doch wer die Hymne aufmerksam interpretiert, wird misstrauisch, denn es heißt auch: »Gut allein ist uns nicht gut genug.« Und: »Die Gedanken stehen nie still.« Anders gesagt: Man kann es dem Chef nie recht machen – und der Kopf raucht immer vor Arbeit!
    Und sogar über den Wolken wird gedichtet: »Flugzeuge im Bauch, im Blut Kerosin / Kein Stern hält uns auf, unsere Air Berlin.« Und der Mitarbeiter wird aufgefordert, er soll den »Kunden im Sinn« und ein »Lächeln« auf den Lippen haben. Das heißt wohl: Noch härter arbeiten. Und gute Miene zum bösen Spiel machen.
    Es ist völlig klar, wen die Firmen mit ihren Hymnen in den Himmel heben wollen, aber nur ein Arbeitgeber sagt es ganz explizit: die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young. Der Konzern stattete den Gospel-Klassiker »Oh Happy Day« mit einem neuen Text aus. Wo es im Original heißt, »When Jesus washed my sins away«, heißt es nun: »Oh happy day, when Ernst & Young showed me a better way.« [63]
    Jesus wurde durch Ernst & Young ersetzt! Die Wirtschaftsprüfer als Gottessöhne, die Beratung als Himmelfahrt und der Mitarbeiter als Jünger, der sich bei der Arbeit opfern soll, damit seine Firma nicht ans Kreuz einer Insolvenz genagelt wird. Der Marketing-Chef heißt Paulus, die Assistentin Maria Magdalena, der Firmensitz Jerusalem, der Hauptanteilseigner: Gott! Geht’s noch?
    Was für frühere Herrscher Brot und Spiele waren, sind für die heutigen Firmen Lieder und Texte: ein Manöver, das von den alltäglichen Zumutungen, vom Sinken der Moral ablenken soll; das verzweifelte Heraufbeschwören eines Teamgeistes, der in Zeiten der Profitmaximierung längst abgesoffen ist.
    Warum wollen die Firmen Mitarbeiter mit solchen Liedern binden? Weil sie ihnen sonst davonlaufen! Warum wollen sie Identität stiften? Weil im Alltag keine mehr entsteht! Warum sollen sie den Unterschied zwischen den Hierarchien beim Singen überbrücken? Weil er im Alltag unüberwindbar ist!
    Wenn sich Überstunde auf Überstunde türmt, wenn der Chef als Führungsinstrument die Peitsche verwendet und wenn die typische Gehaltsrunde eine Nullrunde ist: Dann sollen diese alltäglichen Zumutungen unter einen Klangteppich gekehrt werden.
    Doch die himmlischen Gesänge können die betriebliche Realität nicht überwinden. Das wurde offensichtlich, als Air Berlin 2006 in Nürnberg seine Firmenhymne einsang. Die Sängerin auf der Bühne wurde von den Management-Brothers verstärkt, den obersten Führungskräften der Firma, die aus voller Brust in die Mikrofone trällerten, im Takt wippten und zum Refrain die Fäuste schwangen. [64]
    Es war ein bezeichnendes Bild: Oben auf der Bühne, im Scheinwerferlicht, sonnten sich die Manager. Und unten, im Saal, drängten sich die Mitarbeiter wie ein Gefangenenchor. Das Singen zementierte hierarchische Unterschiede, statt Gemeinsamkeit zu schaffen.
    Wie wäre es, die Wahrheit in den Firmenhymnen künftig etwas deutlicher zu benennen? Auf das Lied »17 Jahr, blondes Haar« von Udo Jürgens schlage ich einen Text vor, der sich speziell für Firmen eignet, die keinen Feierabend mehr kennen:
    17 Uhr, Halbzeit nur,
    jetzt geht’s richtig los!
    Arbeit pur, Treueschwur:
    Ich lieb meinen Boss!
    Und mit welchem Mittel, wenn nicht einer Hymne, sollte eine Firma, die Mitarbeiter entlässt, deren Motivation bis zum letzten Arbeitstag aufrecht erhalten? Ich schlage vor, frei nach Drafi Deutschers Klassiker »Marmor, Stein und Eisen bricht«:
    Weine nicht, wenn dein Job wegfällt:
    Pack an, pack an!
    Deine Firma spart so viel Geld:
    Pack an, pack an!
    Marmor, Stein und Eisen bricht,
    aber unsere Gier tut’s nicht.
    Alles, alles geht vorbei.
    Doch wir

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