Bin ich hier der Depp
bleiben: Hai!
Hamsterrad-Regel: Es gibt ehrliche Lieder. Und Firmenhymnen.
Deppen-Erlebnisse
Warum ich meinen 39. Geburtstag mit meinem Chef »feierte«
Wenn es ein schlechtes Zeichen für einen ersten Arbeitstag gibt, dann dieses: Mein neuer Chef, Leiter des Rechnungswesens, kam gerade aus der Kur nach einem Burn-out zurück! Angepeitscht vom Finanzvorstand und gebeutelt von Kürzungen im Personaletat hatte er sich krankgearbeitet. Mehrere Mitarbeiter waren vorher abgesprungen.
»Ich werde ein paar Gänge zurückschalten«, sagte er zu mir, der Neuen aus der Zeitarbeits-Firma. Daran hielt er sich zwei Tage lang. Dann brach ein Inferno über mich herein: Schon morgens, wenn ich kam, war mein Postfach mit Mails von ihm geflutet. Seine ewige Botschaft: »Wir sind im Rückstand, wir müssen schneller machen!«
Doch wenn ich begann, seine Aufgaben zu bearbeiten, klingelte nach spätestens einer halben Stunde das Telefon: »Warum haben Sie meine aktuelle Mail noch nicht gelesen? Mir fehlt die Lesebestätigung!«
»Weil ich gerade die Zahlen von heute Morgen prüfe!«
»Verdammt noch mal, Sie müssen in Ihre Mails schauen, da kann immer was ganz Dringendes kommen. Ziehen Sie das nach vorne!«
Statt meine eigentliche Arbeit zu machen, retournierte ich Arbeitsbälle, die er spontan in mein Feld schmetterte. Aber spätestens kurz vor dem Mittagessen fragte er: »Und wo bleiben die Zahlen, an denen Sie schon seit heute Morgen arbeiten?«
»Aber Sie haben mich doch selbst unterbrochen!«
»Ihre Vorgängerin hat immer mehrere Aufgaben geschafft.«
Aber warum war sie, die er mir dauernd als Vorbild unter die Nase rieb, mit einer Staubwolke geflüchtet? Meine Arbeitszeiten zogen sich bis in die Nächte. Ich kam nicht mehr zum Sport, traf kaum noch Freunde. Meinen 39. Geburtstag habe ich in der Firma »gefeiert«. Es brannten keine Kerzen auf einer Geburtstagstorte, dafür brannte Arbeit unter meinen Nägeln. Ein Bericht für den Finanzvorstand musste am nächsten Morgen fertig werden. Mein Chef und ich rotierten. Bis 22.30 Uhr!
Nach sechs Monaten ließ ich mich von meiner Zeitarbeitsfirma abziehen. Vorher musste ich meinen Nachfolger einarbeiten. Das Letzte, was ich von ihm sah, war ein verzweifeltes Gesicht. Es kam mir bekannt vor; ich hatte es im letzten halben Jahr oft im eigenen Spiegel gesehen.
Daniela Nießen, Buchhalterin
Wie ich die Risiken eines Erziehungsurlaubs kennenlernte
Ich war frisch in die Führungsriege einer Bank aufgestiegen, als mich der Leiter der Anlageberatung in ein Gespräch über Mitarbeiterführung verwickelte: »Das Wichtigste ist die Motivation! Mitarbeiter müssen nicht nur können, sie müssen vor allem wollen!«
»Interessant«, sagte ich, »aber wie unterscheiden Sie beides?«
»Zum Beispiel sehe ich, wie wichtig einem Mitarbeiter die Arbeit ist. Geht er pünktlich nach Hause? Oder schließt er seine Aufgaben sauber ab? Nimmt er Erziehungsurlaub? Oder bleibt er am Ball?«
»Moment«, protestierte ich, » Erziehungsurlaub muss doch nicht gegen den Mitarbeiter sprechen!«
»Dann sagen Sie mir bitte mal, wer aus unserem Führungskreis einen solchen Urlaub in Anspruch genommen hat? Keiner!«
»Aber dieses Recht besteht ja erst seit kurzer Zeit.«
»Haben Sie je gehört, dass ein Fußballprofi eine Saison aussetzt, nur weil seine Frau ein Kind bekommen hat? Und warum nicht? Weil diese Leute ihren Beruf ernst nehmen!«
»Aber es kann doch sein, dass ein Mitarbeiter mit neuer Energie aus dem Erziehungsurlaub zurückkommt!«
»Schießt ein Stürmer mehr Tore, wenn er sein Training ein halbes Jahr schleifen lässt? In meiner Abteilung gehen vor allem Mitarbeiter in Erziehungsurlaub, bei denen kaum auffällt, dass sie weg sind – nicht gerade die Leistungsträger.«
»Wissen Sie eigentlich, dass ich bald Erziehungsurlaub nehmen werde?«
Er starrte mich an, als hätte ich mich gerade als Außerirdischer entpuppt. Vielleicht gehörte ich tatsächlich nicht hierher, denn es stimmte: Noch kein gehobener Manager dieser Bank hatte es gewagt, in Erziehungsurlaub zu gehen. Es galt als verwerflich, das eigene Kind für ein paar Monate der Arbeit vorzuziehen.
Sicher erklärte das auch, warum keine einzige Frau dem gehobenen Management angehörte.
Ingo Eigel, Bankkaufmann
[50] sueddeutsche.de, Schuften bis zum Tod, 17.05.2010
[51] Spiegel Online, McDonald’s-Mitarbeiterin schuftet sich zu Tode, 28.10.2009
[52] Der Spiegel, 16/2012
[53] Unger, Hans-Peter; Kleinschmidt, Carola, Bevor
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