Bin Ich Schon Erleuchtet
Zwölf. »Ihr habt alles, was ihr je brauchen werdet, und ihr habt es, weil ihr es uns anderen seit Jahrhunderten weggenommen habt. Und ihr seid immer noch unglücklich!«
Er deutete auf ein Uhr. »Hier befindet sich der Rest der Welt. Wir wollen, was ihr habt, und wir haben das eine, das ihr wollt.«
»Was denn?«, fragte ich.
»Gott«, erwiderte er. »Wir haben Gott, aber wir hätten lieber eure großen Autos und Häuser und eure Frauen, die eine Menge Geld verdienen, während ich zu Hause bleibe!« Er lachte.
Jessica verdrehte die Augen. »Ich gehe nach oben«, sagte sie.
»Sie wollen nichts mehr über den Zyklus hören?«
Sie schnaubte nur. Bald darauf ging Sus Onkel weiter und trieb sich eine Weile bei Bärbel und Marcy herum.
Gott. Manchmal halte ich es für möglich, dass es da draußen einen Gott gibt und dass er ab und zu reinhorcht, was wir hier so treiben, und sich hochgradig amüsiert über unser Faible für Verkleidungen. Roben, Dornenkronen, Kippot und Locken, Saris und Yoga-Schlabberhosen. Männer, Frauen, eine geschlechtslose Reinkarnationsfabrik; eine Erdmutter oder ein Weihnachtsmann wider Willen. Ich glaube, er lacht sich schief. Weil wir alle Götzendiener sind, die Produkte unserer Einbildungskraft verehren, welche keinerlei Ähnlichkeit mit ihm haben.
Vielleicht sitzt er da irgendwo in einer Paralleldimension und sagt: »Shit, ich hab nicht mal die Welt erschaffen! Ich war nur gerade beim Kochen und hab nicht auf die Temperatur geachtet, und auf einmal gab es diesen Big Bang und ein paar Stunden später dann einen Haufen Dinosaurier …«
25. April
Indra war heute sehr lieb zu mir, kam im Unterricht immer wieder bei mir vorbei und nannte mich Suzanne M. statt Suzie. Aber dann bat mich Lou, mein Rad vorzumachen, damit er daran demonstrieren konnte, wie man Rückwärtsbeugen unterrichtet. Ich fing an, und SuZen lobte mein Rückgrat. Es sei ja scheinbar aus Gummi. Echt nett.
Aber sofort sprang Indra auf und erklärte, mein Rückgrat sei zwar biegsam, aber so außergewöhnlich biegsam nun auch wieder nicht. An meinem Rückgrat sei wirklich nichts Besonderes .
Sicher, das stimmt, aber du lieber Himmel! Es hätte mich nicht gewundert, wenn Indra noch hinzugefügt hätte: »Und außerdem hat Suzanne dicke Oberschenkel und fettige Haare.«
Irgendwie hasse ich sie heute.
Um das Maß vollzumachen, zeigte sie uns noch ihr Rad, und das war atemberaubend. Die Frau muss uns nichts beweisen. Sie ist uns allen überlegen. Warum muss sie mich dann so oft abkanzeln?
Immer wenn Lou im Unterricht meine Hüften korrigiert, denke ich daran, dass Indra mal wie ich an so einem Retreat teilgenommen hat, während Lous Frau da saß, wo Indra jetzt sitzt. Ich frage mich, ob Lou Indras Hüften korrigiert hat, während seine Frau zusah, oder ob er gewusst hat, dass seine Absichten nicht yogisch waren und er deshalb die Finger von Indra gelassen hat. Ich frage mich, ob Indra nachts von Lou geträumt hat und ob er ihr in ihren Träumen manchmal mit einem langen Ganesha-Rüssel erschienen ist und ob dieser Rüssel gelegentlich den Weg unter ihren Sarong gefunden hat. Nicht, dass ich so was geträumt hätte. Das heißt – noch nicht, aber bei meiner schmutzigen Phantasie ist es nur eine Frage der Zeit.
Es ist verdammt schwer, sich auf die Yoga-Stunde zu konzentrieren, die ich halten muss, wenn alle fünf Minuten Feuerwerkskörper explodieren.
Nächste Woche ist Nyepi, das balinesische Neujahr, und das Feuerwerk gehört zu den Vorbereitungen. Es soll böse Geister verscheuchen oder so. Bei unserem Wischmopp-Geist hat es funktioniert. Das ist doch schon mal was.
Der balinesische Kalender ist absurd kompliziert. Laut Jessica erneuert sich das Jahr ungefähr alle neun oder zehn Monate. Ein Jahr ist etwa so lang wie eine menschliche Schwangerschaft. Diese Information inspirierte Jessica zu einem überschwänglichen Vaginamonolog über die Weisheit der altehrwürdigen Yoni.
Überall im Dorf und in der Stadt sieht man Ungeheuer in verschiedenen Stadien. Das sind die Uga-Ugas. Ich liebe diesen Namen und ergreife jede Gelegenheit, ihn auszusprechen. Uga-Uga. Manche Monster sind riesig, mindestens fünf Meter hoch, und die Männer klettern auf Bambusgerüsten um sie herum und bauen ihnen Maschendrahtköpfe oder legen große Pappmachéstreifen über ihre Gesichter.
Die Uga-Ugas sollen so unheimlich aussehen, damit sie die bösen Geister von der Insel vertreiben. Sie sind die Hauptattraktion an Neujahr. Früher
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