Bin Ich Schon Erleuchtet
einzureden, dass die Menschen beim Yoga nun mal befreiter sind, dass sie das Furzen als eine Methode der Loslösung von ihrer Vergangenheit betrachten, dass wir schließlich alle eins sind, wenn also einer von uns furzt, furzen wir alle, und ich sollte mich doch freuen, dass mir der Wind um die Nase weht.
Aber plötzlich ging mir auf, dass ich Louises Furz zu verstehen versuchte. Ich versuchte, zu einem Furz eine Beziehung aufzubauen. In diesem Moment fing mein Zwerchfell an zu vibrieren, und dann blubberte das Gelächter aus mir heraus wie eine Luftblase. Es war ein peinliches Gelächter, eines, das man nicht unterdrücken kann und das immer zur falschen Zeit aus einem herausbricht. Es schnaubte einfach so aus meiner Nase raus. Aber noch schlimmer war, dass es sich ganz ähnlich anhörte wie ein Furz. Krass. Plötzlich knatterten also aus meiner Nase und meinen Lippen all diese fürchterlichen Furzgeräusche, die mich nur noch mehr zum Lachen brachten, weil ich mir jetzt sicher war, dass es nicht mehr schlimmer kommen konnte. Denn meine Mit-Yogis, die stumm in ihren Kamelstellungen verharrten, dachten garantiert, dass mein feuchtes Schnauben irgendwie mit Louises Gerüchen zusammenhing.
Als ich endlich wieder durchatmen konnte und den Blick hob, funkelte mich Lou wütend an. Nach dem Unterricht kam er zu meiner Matte und sagte: »Suzanne. Du bist nur die Person, die du JETZT GERADE bist.«
Das war so ungefähr das Schlimmste, was mir je einer gesagt hat.
Später – kurz vor Sonnenaufgang
Diesen Traum hatte ich jetzt zum dritten Mal:
Ich befinde mich auf dem Boden einer weiß gepolsterten Zelle, auf allen vieren, und trage weiße Cowboy-Beinkleider aus Leder und sonst nichts. An meinen Brustwarzen hängen Wäscheklammern, die saugen, als wären sie lebendige, nuckelnde Wäscheklammerbabys. Da betritt Lou die Zelle und sieht noch größer aus als in Wirklichkeit. Ich nehme jeden Muskel in seinem Körper wahr, und er wiederholt immer wieder: Das sind Yoga-Muskeln. Yoga-Muskeln sind besser als andere Muskeln, weil sie ausGOTT gemacht sind .
Und dann stellt er sich hinter mich, und ich gebe mir einen Klaps auf den Po und sage : Tu es, Lou. Tu es. Ich war böse. Ich war so böse.
Heilige Scheiße.
5. März
Louise ist heute abgereist, und alle haben geweint. Ich nicht, aber ich habe sie herzlich umarmt und es tatsächlich ehrlich gemeint. Was hat dieses Yoga an sich, dass wir alle so blödsinnig gefühlsduselig werden?
Abend
Heute bin ich ein bisschen deprimiert. Lou gab sich in der Morgenklasse überaus pantheistisch. Gut, er ist eigentlich immer pantheistisch – im Sinne von: das Universum ist Gott, und Gott ist das Universum, diese Wir-sind-alle-Eins-Geschichte – aber heute hat er alle Religionen als Yoga behandelt. Beim Chanten haben wir abwechselnd Om Namah Shivaya und Kyrie Eleison, Christe Eleison, Kyrie Eleison gesungen. Ich habe den Mund aufgeklappt, aber es kam kein Wort heraus.
Ich gebe es höchst ungern zu, aber Louise hatte recht: Chanten ist schwer.
Ich bin in einer christlichen Kirche aufgewachsen, ich habe mich in dieser Kirche nicht firmen lassen, und ich will an diese Kirche nicht erinnert werden.
Grrr. Wenn ich nur die Person bin, die ich jetzt gerade bin, dann bin ich eine Person, die nicht in dieses Yoga-Camp passt.
Mir kommt es vor, als sei ich seit Monaten von zu Hause weg. Ich verstehe meine Mit-Yogis immer noch nicht recht, so nett sie auch sind, und an Indra komme ich nicht heran. Das macht mir zu schaffen. Sie ist im Unterricht freundlich und aufmerksam, aber wenn ich danach zu ihr hingehe, kriegt sie diesen distanzierten Blick, als müsse sie sich vor ihren Schülern schützen. Beim Üben wird deutlich, dass sie mich bevorzugt. Das hoffe ich zumindest. Ich will unbedingt ihr Liebling sein. Das ist schamlos unyogisch von mir, aber ich will nun mal die Schülerin sein, bei der sie denkt: Sie ist der Grund, weshalb ich unterrichte. Sie ist alle Mühe wert. Indra nimmt sich mehr Zeit, mir zu helfen, als den anderen, und ich glaube nicht, dass das nur an meiner Unerfahrenheit liegt. Jedenfalls hoffe ich es.
Wenn ich nur hier bin, um mich von Lou beleidigen zu lassen, christliche Gebete zu chanten und die zahllosen Körperfunktionen zu ertragen, die meine Mit-Yogis unbedingt miteinander teilen wollen, dann bin ich ein noch größerer Depp, als man mir zugetraut hätte.
Jonah wickelt sein Leben in Seattle ab, trifft sich mit unseren Freunden und meinen Geschwistern zu
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