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Bin Ich Schon Erleuchtet

Bin Ich Schon Erleuchtet

Titel: Bin Ich Schon Erleuchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Morrison
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Gliedmaßen aufhob und sie mit einem Lötkolben, der zufällig an ihrem Gürtel hing, wieder am Rumpf meiner Doppelgängerin befestigte. Dann schickte sie sie los, mit einem Augenzwinkern und einem Klaps auf den Hintern.
    »Atmet jetzt tief ein«, sagte Indra. »Haltet den Atem an. Lasst ihn ausströmen. Gut. Und jetzt atmet, als wärt ihr lebendig .«

3. März
    Die Totenstellung bekomme ich wirklich gut hin. Aber mit der Gehmeditation hapert es komplett.
    Heute früh zum Beispiel gingen Jessica und ich hintereinander durch das Dorf. Jessica zeigte mir ihre Gehmeditation, damit ich sie auch ausprobieren kann. Die Idee ist, dass man sich durch den Raum bewegt, ohne sich ablenken zu lassen oder Wünsche zu entwickeln. Man fokussiert sich auf den Horizont und geht jeden Schritt bewusst, um seiner selbst willen, nicht um ein Ziel zu erreichen.
    Überall im Dorf wandeln Weiße herum und meditieren im Gehen. Man fühlt sich irgendwie in Das Land der yogischen Toten versetzt. Allerdings wären wir, wenn wir Zombies wären, auf der Suche nach Menschenfleisch. Aber da wir keine sind, sind wir einfach nur auf der Suche nach … hm. Verdammt. Wollen wir einfach nur im Gehen meditieren? Keine Ahnung. Ich bin hier neu. Und wie gesagt, ich bin wirklich nicht besonders talentiert.
    Als wir durch die Reisfelder gingen, dachte ich noch: Kein Problem. Ich schaue stur geradeaus und lasse dieses grüne Meer an den Rand meines Blickfelds schwappen.
    Aber ziemlich bald waren wir wieder im Dorf, und ich fragte mich, wie irgendjemand einen solchen Ort transzendieren will. Es war ein klarer, heller Tag. Heiß, aber nicht höllisch heiß. Die Luft war buchstäblich erfüllt von cremeweißen Frangipaniblüten, sie schwebten auf lauen Brisen dahin und landeten vor uns auf dem Weg, als hätten unsichtbare Blumenmädchen sie da hingestreut. Ihr süßer Duft war überall. Mir kam sofort der Gedanke, dass ich diesen Duft gerne in meiner Wohnung hätte. Und ich fragte mich, ob man ihn wohl als Duftöl kaufen konnte, denn dann würde ich meinen Freundinnen zu Hause welchen mitbringen.
    Oder als Seife! Die Leute lieben Seife!
    Ein paar Schritte vor mir hob Jessica den Kopf, ließ die Schultern sinken und stieß einen langen, melodischen Seufzer aus. Ich beeilte mich, meinen Blick zu fokussieren, und bemühte mich um bewusstes Schreiten. Das ging so lange gut, bis wir an ein paar balinesischen Frauen vorbeikamen. Sie trugen gelbe und weiße Sarongs und dazu über Hemdchen oder Bustiers eng anliegende Spitzenblusen, die an der Hüfte mit langen Seidenschärpen umwickelt waren. Auf dem Kopf balancierten sie große, viereckige Körbe aus Palmwedeln, in denen sich Obst und Blumen türmten. Aus den Körben wehte der Duft nach gekochten Hühnchen herüber, und mich packte auf einmal ein unbezähmbarer Appetit auf Hühnchen. Oh, ihr Hühnchen! Oh, köstliches Fleisch!
    Am Fuß des Hügels gingen wir langsamer, weil wir an eine tiefe Schlucht gekommen waren, deren Mulden und Wege von teilweise brennendem Müll übersät waren. Der Duft von Frangipani und Hühnchen wurde vom beißenden Gestank brennender Abfälle und faulender Blätter überlagert. Irgendwo da unten rauschte ein Fluss, aber ich konnte ihn durch all den Müll nicht sehen. Der Weg führt an einem Abhang nach unten. Auf beiden Seiten hatten die Mopeds, die unzählige Male am Tag hier Staub aufwirbeln, tiefe Rillen eingegraben.
    Wo immer ich hinsah, überall lebte man anders als bei mir zu Hause. So viele Lebensmöglichkeiten versetzten mich in freudige Erregung. Ich sog sie in mich auf, wollte mit ihnen verschmelzen. Ich wollte jede Sekunde, jedes Detail bewusst wahrnehmen. Den feuchten Glanz der Bananenblätter, den süßlichen Geruch der modernden Dschungelpflanzen, die Blüten auf der Straße, die Frauen, die nach Jasminöl, Weihrauch und Opfergaben duftend an mir vorübergingen.
    Welcher Mensch, der noch seine Sinne beisammen hatte, würde das alles ignorieren wollen?

Später
    Ich habe mir vorhin vorgestellt, wie Jonah und ich auf einem dieser Mopeds durch die Stadt knattern und für unsere Freunde Partys in der Mini-Villa geben. Vielleicht sollte ich lieber hierbleiben und Jonah herholen, als nach New York zu gehen. Denn hier gibt es drei Dinge, die New York nicht hat:
    Erstens: Frangipaniblüten
    Zweitens: Jeden Abend Gamelan-Musik
    Drittens: Frauen, die Brathähnchen auf dem Kopf tragen
    Ah ja, und die Miete beträgt fünf Dollar am Tag. Das werden wir in New York wohl kaum toppen

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