Bin Ich Schon Erleuchtet
worden waren. Unsere Flip-Flops blieben immer wieder an dem klebrigen Mus hängen. Campuhan ist das letzte Dorf vor Ubud, ein Billigladen neben dem anderen. Aus dem ersten kamen wir nach wenigen Minuten mit einem türkisblauen und einem violetten Batikschal heraus.
Und siehe da – plötzlich war mein spirituelles High wieder da! Als wäre mein Kundalini-Durchbruch gerade erst heute früh passiert. Ich hatte ganz vergessen, dass man einen ähnlichen Kick kriegen kann, wenn man Geld gegen Kleider tauscht. Jessica hat recht mit dem transformatorischen Potential des Shoppens. Bei einem Juwelier malte ich mir aus, wie ich mit Silberschmuck behängt und mit Essstäbchen im Haar mein urbanes New Yorker Baumhaus mit Shiva- und Shakti-Masken dekoriere. Wenn Leute mich besuchen, werden sie sagen: Sie ist eine Weltreisende. Sie ist kultiviert. Sie hat eine außergewöhnliche Sammlung phallischer Sandelholzskulpturen. Sie geht nicht einfach in Urlaub, sie pilgert .
Ich kaufte eine Holzfigur eines in der Vorwärtsbeuge sitzenden Mannes mit einem erigierten Riesenpenis; er hat die Hände über die Augen gelegt, als wolle er sagen: »Ich fasse es nicht, dass er so groß ist.«
Wenn das nicht für Gesprächsstoff sorgt!
Auf dem Weg nach Ubud schien uns die Sonne in die Augen, obwohl das Regenwasser durch die Abwasserkanäle rauschte. Wir kamen an einer Reihe von Pavillons vorbei, in denen Männer in Shorts und T-Shirts für das Fest Figuren aus Maschendraht und Pappe bastelten.
Jessica bewunderte das Farbenspiel auf meinem neuen Mondstein-Ring, wobei ihre Stimme immer höher kletterte. Ich machte ihr Komplimente für ihre neue silberne Armspange. Wir waren beste Freundinnen.
Bis Jessica ihre Schuhe fand. Da musste ich mich für ein Weilchen aus dem Staub machen. Jessica hat eine klare Vorstellung vom Feilschen: Sie nennt einen sehr niedrigen Preis und weicht um kein Haarbreit davon ab. Als sie die Schuhe fand – perlenbesetzte Riemchensandalen, weiß und funkelnd, genau die Schuhe, in denen sie, wie sie behauptet, eines Tages heiraten wird –, bot sie fünftausend Rupien, ungefähr fünf Dollar. Die Verkäuferin konterte mit zwanzigtausend und ging dann auf achtzehn runter, schließlich sogar auf sechzehn, aber Jessica blieb bei fünftausend. Ich wollte nicht zwischen die Fronten geraten und lungerte bei einem Drehständer mit Schals herum, aber ziemlich bald begriff ich, dass es eine Weile dauern würde, bis Jessica ihre neuen Schuhe hatte. Als sie gerade widerstrebend ihr Gebot auf sechstausend Rupien erhöhte, trat ich auf die geschäftige Monkey Forest Road hinaus und sah mich nach weiteren Läden um.
Ich kam an einem dürren Mann mit nacktem Oberkörper vorbei, der an einer Straßenecke hockend Hühnchen- und Rindfleischspieße verkaufte, die köstlich und verboten dufteten, steckte den Kopf in ein paar Geschäfte und blieb dann vor dem Schaufenster eines Ladens stehen, der im Land der Batikschals und Sandelholzskulpturen mehr als deplatziert wirkte. PRADA.
Der Laden war sauber, hell, minimalistisch. An drei Wänden standen schlanke schwarze Regale, auf denen Handtaschen, Rucksäcke und Brieftaschen auf Bewunderer warteten wie Skulpturen in einem Museum. An drehbaren Kleiderständern kreiselten luftige T-Shirts.
Innen neben der Tür wurde eine kleine Auswahl Schuhe präsentiert – ein Paar pro Regal. Spitze Lederpumps, acht Zentimeter hohe Stilettos. Allesamt hinreißend, aber auf Schuhe fahre ich nicht ab, und so verlor ich schnell das Interesse. An derselben Wand standen auf Regalen ein paar Dutzend Brieftaschen, Umhängetaschen und Gürteltaschen aus schwarzem Nylon, wie man sie aus manchen Außenbezirken von Seattle kennt, wo die Frauen sonnengebräunt und blond sind und die Männer Jaguar fahren. Ich habe nie verstanden, was an diesen Taschen so toll sein soll. Schon gar nicht, als ich entdeckte, dass sie so viel kosten wie meine halbe Jahresmiete.
Ich steuerte auf die Tür zu, um Jessica in ihrer Schuhkrise beizustehen, aber etwas hielt mich zurück. Dieses Etwas ließ mich nicht raus.
Ich habe da dieses Laster. Ja, gut, ich habe mehrere Laster, beziehungsweise hatte sie, bevor ich nach Bali kam und transzendent und kundalinisch wurde. Aber dieses eine ist sozusagen mein Prinzessinnen-Laster: Handtaschen. Ich liebe sie. Es war also die Macht der Handtasche – das Prana von Prada, könnte man sagen, wenn man zu derartigen Kalauern neigt –, die mich zum Umkehren zwang und in den hinteren Ladenbereich
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