Bin Ich Schon Erleuchtet
trieb, wo Inkarnationen meiner Sucht, nebeneinander aufgereiht wie ein ausgesprochen attraktiver griechischer Chor, mir ihre Sirenengesänge entgegensäuselten.
Eine Stimme hob sich aus den anderen heraus, dunkel und rauchig. Mir stockte der Atem. Meine Wangen glühten. Ich war dem Eros verfallen.
Pistaziengrünes Leder. Ein Riemen wie eine Gürtelschnalle, so dass ich sie bequem unter der Achsel tragen oder locker an der Schulter baumeln lassen konnte, wenn ich das wollte. Annähernd rechteckig, annähernd zylinderförmig. Ich streckte die Hand danach aus; ich zog sie zurück. Wir flirteten, bis ich nicht mehr an mich halten konnte: Ich musste sie an mich pressen, meine perfekte Handtasche, meine einzig wahre Liebe. Ich streichelte das Leder, ich schnupperte daran, ich wollte ihren Duft tragen. Ich betrachtete mich mit ihr im Spiegel in allen möglichen Stellungen. Von der Seite, die Tasche verführerisch unter den nackten Arm geklemmt, Leder an Haut. In der Rückenansicht zeigte sie ihr rundes, vollkommenes Hinterteil.
Auf den Knien liegend, die Tasche senkrecht auf den Schenkeln, öffnete ich aufreizend langsam ihren Reißverschluss und glitt mit der Hand in sie hinein, als wollte ich eine Puderdose herausholen.
Auf der Straße quietschten Reifen, und jemand schrie etwas. Ich schüttelte den Kopf, hielt die Luft an und rief mir ins Gedächtnis, dass ich mich in einem Prada-Laden befand, an einem Ort, den ich aus einem einfachen Grund noch nie betreten hatte: Ich war nicht reich.
Ich legte die Tasche zurück auf ihren kleinen Altar. Aber zuerst – nur damit ich mich besser fühlte – warf ich einen Blick auf das Preisschild.
Die Handtasche, die mich vervollständigen würde, wie ich noch nie vervollständigt worden war, konnte für einhundertfünfzigtausend Dollar die meine werden.
Uff. Natürlich konnte ich sie mir nicht leisten. Ich wandte mich ab, ich sagte ihr Lebewohl.
Moment mal! Einhundertfünfzigtausend Dollar? Nein! Einhundertfünfzigtausend Rupiah ! Ungefähr hundertfünfzig Dollar.
So viele Dollars habe ich.
Aber dann merkte ich, dass an dem ganzen Szenario etwas schräg war, aber so was von schräg. Ich sah mich um. Ich war bei Prada, auf Bali. Sind die Sachen alle echt? Ich weiß, dass die meisten Fälschungen in Asien hergestellt werden – könnte das ein gefakter Prada-Laden sein? Ich beäugte die Verkäuferinnen in ihren schicken schwarzen Hosenanzügen. Ich stellte mir vor, wie sie durch die Tür hinter der Kasse hinausschlüpften und einen fensterlosen Raum mit langen Tischen betraten, an denen fingerfertige Knirpse Hunderte von Handtaschen pro Tag herstellten, für die sie mit einem Löffel Muttermilchersatz und einer frischen Windel entlohnt wurden.
Aber hundertfünfzig Dollar? Das ist zu viel für ein Fake.
Und wiederum zu wenig für ein echtes Teil. Konnten es Taschen der letzten Saison sein? Weltmarktpreise? Aber wenn ich hundertfünfzig Dollar für eine Prada-Tasche ausgebe, die sich als eine Fälschung herausstellt, was bin ich dann?
Ein Trottel.
So vertrauensselig bin ich nicht, dachte ich. Ich stand mit ausgestrecktem Arm im Laden, an meiner Hand baumelte die Tasche wie ein Ohrring im Ohr, als Jessica sich in mein Blickfeld schob. Ich wusste nicht, was ich zu ihr sagen sollte, und wurde noch verlegener, als ich sah, dass sie keine Einkaufstüte trug und deshalb wohl die Schuhe zurückgestellt haben musste, weil sie ein oder zwei Dollar mehr kosteten, als sie ausgeben wollte.
Wir legten die Köpfe schief und begutachteten die Tasche wie ein Gemälde.
»Schön, oder?«, sagte ich.
Jessica seufzte und schenkte mir einen Blick, der Bände sprach: Sie hatte erkannt, dass wir füreinander geschaffen waren. Dass wir eine Beziehung hatten. Dass ich eine Seelenverwandte gefunden hatte.
Mühsam rissen wir uns los. Ich drehte mich im Gehen noch zweimal um, aber ich schaffte es ohne meinen ledernen Liebling nach draußen. Im Freien fiel mir wieder ein, wer ich war und wer ich nicht war, was ich brauchte und was nicht. Doch, ich hatte die richtige Entscheidung getroffen. Ich bin aus anderen Gründen auf Bali. Ich bin auf einem Pfad, und dieser Pfad führt nicht durch Mailand.
Während wir auf das Restaurant zutrabten, sagte Jessica: »Weißt du, Frauen erleben ihre Handtasche als Erweiterung ihres Uterus.«
»Ach was«, murmelte ich. »Echt?«
Jetzt sitzen wir im Casa Luna, trinken Tee und denken allmählich ans Abendessen. Ich muss schon sagen, es gibt ein paar unheimliche
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