Bin Ich Schon Erleuchtet
unser eigenes Yoga-Branding kreieren. Sie sagt, zurzeit wird überall die Werbetrommel für das sogenannte »Doga« gerührt, Yoga für den Hund. Es werden immer mehr Spielarten von Yoga entstehen, sagt sie, bis man irgendwann einen Yoga-Kurs für absolut alles findet, was man sich nur ausdenken kann. Wir sollen möglichst frühzeitig einen Fuß in die Tür kriegen, meint sie.
Beim Abendessen diskutierten wir lange über dieses Doga-Zeugs. Lara verabscheut es, und ihr Abscheu scheint sich auf SuZen zu erstrecken, weil die davon angefangen hat. »Das ist doch wirklich bodenlos!«, schimpfte sie. »SuZen mag ja eine reizende Person sein, aber Leute wie sie ruinieren den Yoga. Doga, so ein Schwachsinn! In London ist das der Hype, die Leute bringen ihre teuren Hundchen zum teuren Hunde-Yoga, als bräuchten sie Yoga zusätzlich zu ihren Bello-Antidepressiva. Was kommt noch? Papageien-Yoga? Yoga-Papa?«
Jason hatte den Blick auf den Teller gesenkt und schob mit einem Stück Brot Naturreiskörner auf seine Gabel. »Ich kann nichts Schlimmes daran finden, wenn man seinem Hund Yoga beibringt.«
»Hängt davon ab, wie du schlimm definierst«, sagte ich.
»Jason, den Leuten geht es um Profit!«
»Schon, aber was, wenn die kleinen Hundchen es mögen?«
Lara schüttelte den Kopf und holte ihr Tagebuch hervor.
Jetzt kritzeln wir alle wie wild. Ich werde mein Branding »Yoga Komplett« nennen, habe ich beschlossen. Yoga gibt einem die Ganzheit. Wir laufen alle unvollständig durchs Leben; uns fehlen Teile, entweder weil wir fern von unseren Freunden oder Familien leben oder weil wir die Fähigkeit verloren haben, Körper und Geist in Einklang zu bringen. So jedenfalls lautet mein Werbesprüchlein. Yoga Komplett.
Wie soll ich das beschreiben? Ganzheit. Einheit. Komplett … heit.
Ein Bild dazu … Hm. Weiß nicht. Etwas, das vollständig aussieht.
Vielleicht sollte ich auf dem Bild sein. Ich in der Berg-Position. Die ist ziemlich ganzheitlich. Ich trage lange, schmal geschnittene schwarze Hosen. Sehr vorteilhaft. Hübsche schwarze, spitze Lederstiefel. Ein schwarzes Shirt mit einem phantastischen Kragen. Und unter meinem Arm klemmt als verlockender kleiner Farbklecks die pistaziengrüne Prada-Tasche, aber der echte Markenartikel. Keine Fälschungen in meiner Yoga-Werbung! Dieser kleine Farbklecks ist genau das, was das Bild braucht. Er komplettiert das Outfit! Kapiert? Yoga Komplett.
Ich habe gerade allen davon erzählt, und sie finden es genial … aber vielleicht sollte ich lieber noch eine andere Idee auftreiben, die ich morgen der Klasse präsentiere.
»Obwohl SuZen sicher begeistert wäre«, fügte Lara hinzu. »Wenn sie nicht selbst schon ein Patent auf eine handtaschengestützte Yoga-Praxis hat. Oder ein Doggie-Bag-Yoga.«
Ich habe das nicht laut ausgesprochen, aber vielleicht wäre es gar nicht so übel, Hunden Yoga beizubringen. Mir wäre es nämlich sehr recht, wenn diese garstigen Köter auf Bali ein bisschen mehr yogifiziert wären. Aber im Grunde geht es doch um etwas anderes: Sollten die Yogis recht haben und wir werden alle reinkarniert, müssen wir gut für unsere Hunde sorgen. Wir wissen zwar nicht, ob die Reinkarnation wirklich stattfindet, aber falls doch – sollten wir uns dann nicht gut um unsere Hunde kümmern, weil wir eines Tages, nun ja, sie sein könnten?
Vielleicht ist Doga auch einfach erleuchteter Eigennutz.
16. April
Indra erschien heute völlig verändert im Wantilan. Ihre blonden Haare waren zu putzigen kleinen Cornrows geflochten, und am Ende jedes Zöpfchens baumelte eine Bo-Derek-Perle. Sie klickten und klackten bei jeder Kopfbewegung. Man sah die weiße Kopfhaut zwischen den Haaren.
Neuerdings geht sie, wenn sie in den Wantilan kommt, gleich rüber zu Marianne oder SuZen und begrüßt sie, und dann schwatzen sie eine Weile, während wir anderen die Gamelan-Instrumente zur Seite räumen und unsere Matten zur Begrüßung im Kreis ausbreiten.
Wir haben ein klitzekleines bisschen getratscht. Über Marianne und SuZen. Yogischer Tratsch, was sonst, denn sie tun etwas, das unsere Aura vergiftet, wie Marcy es ausdrückt. Marianne und SuZen chanten das Om auf unnachahmlich nervtötende Art.
Wir hatten als Gruppe unser Om gefunden. Im Ernst, wir klingen wie eine bescheuerte A-cappella-Gesangsgruppe. Seit vielen Wochen eröffnen und beschließen wir jede Klasse mit drei Oms. In dieser Zeit haben wir gelernt, aufeinander zu hören und unsere Stimmen miteinander verschmelzen zu lassen,
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