Bin Ich Schon Erleuchtet
besorgen und High Heels tragen. Das wird eine Superparty.
Okay.
Ganz so war’s dann doch nicht.
Ach Gott, ich wünschte, meine Schwester wäre hier. Sie würde sich wegschmeißen. Wahrscheinlich wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem sie mich mit Steak zwangsernähren und zum Rauchen nötigen würde, damit ich wieder zu mir komme. Zu spät, liebe Schwester. Zu spät. Der Schierlingsbecher ist geleert.
Vom Schnapstrinken bin ich nie ohnmächtig geworden, aber beim Pipitrinken hätte es mich fast erwischt.
Ich hielt mich genau an meinen Plan. Ich chantete pharmazeutische Verschwörung, pharmazeutische Verschwörung , dann nahm ich das Glas vom Klodeckel und leerte es in einem Zug. Ex und hopp, als wär’s ein Jägermeister. Und dann flimmerte es mir vor den Augen, und ich schwankte ein bisschen und musste mich an der Ablage festhalten. Als ich wieder klar im Kopf war, sah ich zufällig mein Spiegelbild und kreischte los, bis mir fast schlecht wurde. Ich klammerte mich an die Ablage und dachte , Oh nein, du kotzt das jetzt nicht wieder aus . Ich langte nach meiner Teetasse und trank sie, so schnell ich konnte, aus, dann goss ich mir gleich noch eine ein. Das war schwierig, weil ich die ganze Zeit kicherte und schnaufte und vor mich hin quatschte.
Du ekelhafte, stinkende Pissetrinkerin! Jonah wird dich nie wieder küssen!
Urin hat einen sehr merkwürdigen Geschmack. Buttrig und metallisch, als hätte man flüssige Butter im Mund und steckte ein paar Münzen dazu. Und dann gurgelt man mit dem Gemisch. Es schmeckt nach Grünspan.
Hey, wem will ich hier was vormachen? Es schmeckt nach Pisse .
Als ich die ganze Kanne Tee ausgetrunken hatte, machte ich mit Bananen weiter. Ich aß eine ganze Banane auf, seit Tagen das erste Obst. Aber der Geschmack ging nicht weg. Als würde ein gebuttertes Fünfcentstück auf der Zunge festkleben. Ich war gebrandmarkt, und es gab wohl kein Revirginisierungsritual, das mir meinen früheren Zustand zurückgeben konnte.
Ich rollte mich auf dem Futon zusammen und überlegte, was ich sonst noch essen könnte, um den Geschmack loszuwerden. Auf Zähneputzen kam ich komischerweise nicht. Das hätte sicher geholfen. Vielleicht hatte mein Gehirn auch den Bali-Bauch. Jedenfalls rollte ich mich in der Mittagshitze auf dem Futon zusammen, und als ich aufwachte, ging die Sonne unter. Seit Tagen habe ich nicht mehr so lange am Stück geschlafen. Und jetzt sitze ich hier, höre dem Abend-Gamelan zu und muss sagen – mir geht’s ziemlich gut. Ich habe mir nach dem Aufwachen meine Zunge im Spiegel angeschaut, sie sieht auch ein bisschen besser aus. Ich hatte mich vor dem Spiegel gefürchtet, weil ich gedacht hatte, sie wäre bestimmt schwarz wie die Sünde. Als hätte ich flüssige Schuhcreme getrunken. Na gut, sie schimmerte nicht gerade in jungfräulich frischem Rosarot, aber sie war ein bisschen weniger grün.
Ich fühle mich tatsächlich besser. Wahrscheinlich ist das dem Nickerchen zu verdanken. Oder, ich weiß auch nicht – einem Wunder.
14. April
Es ist ein Wunder. Der Bali-Bauch ist weg. Er ist wirklich und wahrhaftig hundertprozentig weg. Ich bin geheilt. Ich war seit Stunden nicht mehr in meiner Gartenduftzelle. Ich gehe vielleicht nie mehr rein.
Ich fasse es nicht. Gestern Abend dachte ich noch, ich wäre einfach ausgeruhter. Aber dann schlief ich die ganze Nacht durch und verdrückte ein richtiges Frühstück mit Bananen und Reis, und ich ging zum Unterricht, und alles war gut. Ich bin geheilt!
Ich denke viel darüber nach, was das für mich bedeuten könnte. Wenn ich, wie meine Mit-Yogis, jeden Tag Urin trinken könnte, wie sähe mein Leben aus? Ich meine, abgesehen von der gesellschaftlichen Ächtung?
Grippe, Krämpfe, Migräne: für immer vorbei. Nie mehr Angst vor Krebs oder Meningitis oder Osteoporose und all den anderen Beschwerden und Krankheiten, die mich ständig ängstigen. Die Haare auf meinen Beinen werden in einem langsameren, gesünderen Tempo wachsen. Meine Wangenknochen werden höher sein, und ich werde nie, nie wieder Pickel am Kinn oder PMS haben.
Meine Tage als Waschlappen sind vorüber. Ich habe die Tat vollbracht, vor der es mir seit meiner Ankunft graute. Zeig mir die Nordwand, und ich werde sie erklimmen. Zeig mir eine haifischverseuchte See, und ich werde sie durchschwimmen.
Ich weiß nur nicht, ob ich das jeden Tag könnte. Noch nicht. Heute habe ich nicht getrunken und will einfach nur genießen, dass ich wieder gesund bin. Ab morgen trinke
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