Bin Ich Schon Erleuchtet
ätherischer Stimme: »Segne mich, goldenes Elixier, dass du säuberst meinen Körper und reinigst meine Seele.«
Mein Eispanzer schmolz ein wenig. Das ist alles ein Traum, dachte ich. Bald wird Jessica anfangen mit Schwertfischen zu jonglieren, und ich werde meinen Schuh essen. Dann werde ich wissen, dass ich schlafe. Während ich meine Mitbewohnerin anstarrte und ihr unbezahlbares kleines Gebet verdaute, streckte Jason den Kopf durch die Tür.
»Suzanne«, sagte er, »trink einfach ein paar Schlückchen Urin und leb dein Leben weiter! Du kannst das, Baby.«
Ich hörte Laras Gelächter und wandte mich an Jessica. Meine Stimme schwebte aus meiner Kehle wie die Samen einer Pusteblume. »Wie?«
Und so gab mir Jessica ein paar Tipps. Ich sollte darauf achten, dass ich nur den Mittelstrahl auffing. Als ich nach dem Grund fragte, zuckte sie die Achseln. »Der erste Urin säubert deine Yoni«, sagte sie, »er wirkt sterilisierend, deshalb ist der Mittelstrahl sauber. Und was danach kommt, ist« – sie kicherte und drehte geistesabwesend eine Haarsträhne – »na ja, das ist knusprig.«
»Wie bitte?«
»Weißt du«, sagte sie und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht herum, »da ist so eine Art Sediment drin. Die knusprigen Teilchen kannst du nicht brauchen.«
Darauf fiel mir nicht ein einziges Wort mehr ein, deshalb sagte ich tschüs und bat sie, die Affen von mir zu grüßen.
Jetzt sitze ich auf dem Futon und führe Selbstgespräche. Ich fasse es nicht, dass ich auch nur darüber nachdenke, es zu tun. Bin ich … bin ich in der Lage dazu?
Ach, Gott. Ich weiß es nicht.
Ich habe die letzte halbe Stunde meine Zunge betrachtet. Ich habe sie unter allen möglichen Lichtverhältnissen und aus jedem erdenklichen Blickwinkel studiert. Ich habe versucht, sie mit einem Gabelzinken abzuschaben. Ich habe eine rosarote Zunge visualisiert. Ich habe ein Mantra gebetet, dass es mir bessergeht. Aber es geht mir nicht besser.
Was könnte schlimmstenfalls passieren?
Schlimmstenfalls muss ich brechen. Das wäre unerfreulich, aber nicht das Ende der Welt. Und kein so großer Unterschied zu dem, was ich in den letzten Tagen gemacht habe.
Zu Hause würde es niemand jemals erfahren.
Ich habe gerade in ein Glas gepinkelt.
Das mit dem Mittelstrahl war kniffliger als erwartet. Auf diese Art habe ich bisher nur beim Arzt gepinkelt, und dann in kleine Plastikbecher. Diesmal habe ich Indras Anweisung befolgt und ein hohes Glas aus der Küche geholt.
»Kompliziert« wäre eine Untertreibung. Es war eine Sauerei. Ich musste erst das Glas außen mit Klopapier abwischen, danach den Toilettensitz und schließlich meine Oberschenkel. Jetzt sind ungefähr zwei Schnapsgläser voll Urin im Glas. Die 250 Milliliter, die Indra und alle anderen empfehlen, bringe ich nicht zustande. Ein Doppelter muss reichen.
He. Halt. Moment mal. Seit wann bin ich bekloppt?
Ich trinke das nicht. Kommt nicht in die Tüte.
Krasse Sache, ich habe gerade das Glas zum Mund geführt und zu trinken versucht, und ein warmer Dampf ist mir in die Nase gestiegen. Ich habe das Glas sofort wieder hingestellt; ich werde auf keinen Fall warmes Pipi trinken.
Yep, ich bin verrückt. Ich sage kein warmes Pipi , als wäre das Zeug in gekühltem Zustand ganz köstlich. Als ob ich es mit Eis zum Daiquiri quirlen könnte.
Ich habe, gegen den Türpfosten gelehnt, mein Glas nach knusprigen Teilchen abgesucht. Ich sehe keine. Jetzt steht das Glas auf dem Klodeckel und wartet, dass ich etwas damit mache.
Ich rede mir gut zu: Ich kippe einen gelben Jägermeister. Hoch die Tassen, ex und hopp. Ich habe mir eine große Kanne Tee gekocht, sie steht auf der Badezimmerablage. Das wird mein Chaser. Ich war nie eine große Schnapstrinkerin, aber ich werde jede Volljährigkeitsparty meines jungen Lebens channeln, wenn mir das hier durchhilft.
Hoch die Tassen, ex und hopp, wie ein doppelter Jägermeister mit einem Ingwertee zum Runterspülen. Auf geht’s, Suzie-Q, runter damit …
WÜRG.
JESSESMARIAUNDJOSEF. Grundgütiger Himmel, ach du …
Sonnenuntergang
Ich sitze auf der Veranda.
Nein, stopp. Wer sitzt auf der Veranda?
Eine Pissetrinkerin sitzt auf der Veranda.
Und? Kann ich ehrlich sein? Nun, liebes Selbst, es war köstlich. Vollmundig, aber erfrischend, nussig und doch süß, mit einem schillernden Anklang von Tanninen, die auf der Zunge perlen, bevor in einem nachhaltigen, samtigen Abgang ein Feuerwerk an Aromen aufleuchtet. Beim nächsten Mal werde ich Käse dazu
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