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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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»wo wollen Sie denn hin?«
    »Nach München.« Lächelnd schaut er in meine aufgerissenen Augen. »Ich bin Worldrunner!«
    Auf den folgenden Metern erklärt er mir, dass er im letzten Jahr den spanischen Jakobsweg entlanggejoggt ist und nun sein nächstes Projekt läuft: von Hamburg über Berlin, Leipzig, Zwickau und Nürnberg bis nach München. Er sei schon immer regelmäßig Marathon gelaufen, berichtet er, und mit dem Eintritt ins Rentenalter habe er neue Herausforderungen gesucht.
    »Und wann schlafen Sie?«, will ich von ihm wissen, woraufhin er mich anschaut, als wäre ich von uns beiden der Sonderling.
    »Nachts. Wann denn sonst?«
    Nach einem kurzen Blick ins Smartphone gebe ich ihm eine Wegbeschreibung zu der Straße, die zum südlichen Rand der Stadt führt, wo er heute Nacht nach einer fünfunddreißig Kilometer langen Etappe einkehren will. »Morgen geht’s dann weiter nach Potsdam«, ruft er mir noch hinterher, als sich unsere Wege trennen. Winkend wünsche ich ihm alles Gute und jogge weiter durch den Tiergarten.
    Die Wege des südlichen Parks sind von stattlichen Bäumen gesäumt, die weiten Wiesen verwöhnen meine Augen mit saftigem Grün, und jetzt, da es noch nicht allzu warm ist, bieten auch die kleinen Seen rechts und links des Wegesrandes optische Reize, ohne dabei – wie im Sommer – den Gestank abzusondern, der einem der nahe gelegenen Wasserbecken tatsächlich den Namen Faulsee eingebracht hat.
    Die nächsten Minuten verlaufen so angenehm, dass ich schon jetzt ein erstes kleines Runners High bekomme: dieses kribbelnde Glücksmoment, das Sportsüchtige aller Welt in seinen Bann zieht.
    Bevor rechter Hand der Glasturm des Potsdamer Platzes erscheinen, wird der Park wieder etwas weitläufiger und bietet Hundebesitzern die Möglichkeit, die vierbeinigen Lieblinge über die riesigen Wiesen zu jagen. Die Leinenpflicht für Hunde scheint – wie so viele andere Dinge in Berlin auch – eher als unverbindliche Empfehlung verstanden zu werden, und so erreiche ich nun ein Areal, von dem man meinen könnte, es sei ein Hundeausbildungsplatz. Das erste Exemplar, das an der nächsten Weggabelung vor mir steht, ist gleich ein Volltreffer: Mit gespitzten Ohren wartet ein Dobermann, bei dessen Anblick ich mein Joggingtempo so lange reduziere, bis ich schließlich zum Stehen komme. Unter all den Menschen, die sich hier mit einer Hundeleine in der Hand herumtreiben, kann ich Herrchen oder Frauchen wohl kaum ausfindig und auf meine latente Angst vor Kötern aufmerksam machen, also nehme ich kurzerhand einen anderen Weg und biege links ab in Richtung Wiese. Doch auch hier sieht es nicht besser aus. Diesmal ist es ein frei laufender Schäferhund, der mich laut bellend zum Anhalten bringt, dann aber immerhin von seinem Frauchen am Halsband festgehalten wird.
    »Hasso, aus!«, sagt sie streng zu ihm. »Wir haben doch darüber gesprochen: keine Jogger mehr anfallen!« Dann wendet sie sich mir zu. »Entschuldigung! Haben Sie Angst vor Hunden?«
    »Spielt das eine Rolle?«, gebe ich zurück und weise sie auf die Leinenpflicht im Tiergarten hin.
    Genervt verdreht sie die Augen. »Haben Sie etwa noch nie eine Ordnungswidrigkeit begangen?«
    Ich winke in Ermangelung eines schlagfertigen Kommentars einfach ab und fühle mich nun genauso spießig, wie ich in meinen lächerlichen Trainingshosen vermutlich auch aussehe. Doch , hätte ich sagen müssen, aber nicht wenn ich damit jemand anderem Angst einjage! Natürlich fallen mir die besten Antworten immer zu spät ein – ob ich noch mal zurücklaufen soll? Nein, der Zug ist leider abgefahren …
    Auf der Hut vor weiteren Kläffern setze ich meinen Lauf fort, der mir durch die ständigen Ablenkungen eine miese Zeit einbringen wird. Egal, ich bring das jetzt so gut wie möglich zu Ende!
    Weiter geht’s auf meinem Spießrutenlauf durch den Parcours der Tiere, zu denen ich ein wahrlich gespaltenes Verhältnis entwickelt habe. Das war früher anders, denn Bongo, so hieß unser etwas treudoofer Irish Setter, galt einst als vollwertiges Familienmitglied. In seinem zotteligen Fell verfingen sich täglich die wildesten Dinge, über das gesamte Jahr begleitete ihn ein mehr oder weniger sonderbarer Geruch, und weil seine Rasse zur Jagd auf irische Enten gezüchtet wurde, zeichnete er sich durch eine ausgeprägte Bewegungsfreude aus. Auf kilometerlangen Spaziergängen sprang er um uns herum, und wenn er sich danach schüttelte, flogen die langen Sabberfäden von seinem Maul im hohen

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