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Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition)

Titel: Bin isch Freak, oda was?!: Geschichten aus einer durchgeknallten Republik (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Möller
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ich dabei schon bald einen Gesprächspartner.
    »Einen wunderschönen guten Morgen«, spricht mich ein hagerer Mann um die fünfzig an, während ich verzweifelt versuche, bei durchgestreckten Knien mit den Fingerspitzen den Boden zu berühren.
    Als ich wieder aufrecht stehe, nicke ich ihm freundlich zu, wobei mir auffällt, dass es sich bei ihm um ein klassisches Exemplar des Joggingfreaks handelt. Von der aerodynamischen Brille, einem Goretex-Stirnband, dem schwarzen hautengen Ganzkörperanzug, unter dem sich auf Brusthöhe der Pulsmessgurt durchdrückt, bis zu den nagelneuen Laufschuhen fehlt ihm nichts, was ein echter Läufer haben muss. Als er aus dem geraden Stand ohne Mühe seinen Kopf auf den Knien ablegt und die Hände lässig auf den Boden baumeln lässt, entdecke ich vier kleine Wasserflaschen, die in einem speziellen Gürtel über seinem Po stecken.
    »Und, welche Pace läufst du?«, will er von mir wissen.
    »’ne gute Fünfer.« Inzwischen weiß ich, dass Läufer nicht in Stundenkilometern denken, sondern mit dem englischen Begriff Pace den Zeitraum bezeichnen, den sie für einen Kilometer benötigen. »Und du?«
    Noch immer irritiert mich das Duzen mir unbekannter älterer Menschen, doch unter Sportlern wäre alles andere wohl ein Affront. »Vier-zwanzig, manchmal vier-zehn«, antwortet er.
    Lässig beende ich meine Dehnübungen an einer historischen Victoria-Laterne mit vierflammiger Aufsatzleuchte aus dem Jahr 1881 und schaue meinen Gesprächspartner durch seine gelben Brillengläser an. Er greift an sein Hinterteil, zückt eines der Fläschchen und spritzt sich seitlich etwas Wasser in den Mund. Dann hüpft er unvermittelt vor mir in die Luft, reißt auf dem Höhepunkt seines Sprungs blitzschnell die Knie an die Brust und atmet dabei laut aus. Das Ganze wiederholt er fünf Mal und betätigt dann einen Schalter an seiner Armbanduhr.
    »Los geht’s. Viel Glück!«, meint er schließlich, und rennt in meinem Endspurttempo los.
    Der Sprung war nicht schlecht, denke ich mir, und gehe leicht in die Knie, um für dieselbe Übung Schwung zu nehmen. Ob das bei mir auch so sportlich aussieht?
    Eins, zwei ,ganzschönanstrengend!, drei …
    Hinter mir höre ich plötzlich das laute Lachen einer Frau. Super, Möller, wieder mal schön blamiert! Ich drehe mich um und entdecke zwei Meter von mir entfernt eine Dame mittleren Alters, die sich weit zurücklehnt und sich juchzend den Bauch hält. Ich ärgere mich, denn erstens soll sie mal selbst so hoch springen, und zweitens macht man das nicht, Leute auslachen!
    »Entschuldigung«, unterbreche ich sie, »lachen Sie über mich?«
    »Was?« Sie ringt angestrengt nach Luft. »Nein, nein – ich übe nur!«
    »Sie üben?« Ich inspiziere ihre ausgesprochen unsportliche Kleidung. »Was, äh … üben Sie denn?«
    »Lachyoga!«, erklärt sie und betrachtet dabei meine gerunzelten Augenbrauen. »Sollten Sie auch mal probieren. Ist gut gegen Stirnfalten!«
    Dann wendet Sie sich wieder ab, holt tief Luft und lacht sich krumm und schief. Im wahrsten Sinn des Wortes.
    Nun gut, es wird Zeit, endlich loszulaufen. Bevor ich starte, fehlt mir nur noch ein zentrales Element: mein Telefon, auf dem eine App meine Strecke per Satellit mitverfolgt und mich mit einer angenehmen Stimme über die Kopfhörer regelmäßig über meine Pace informiert. Zu Hause kann ich die Geodaten dann in Google Earth importieren und mir meine Strecke aus der Vogelperspektive anschauen.
    Der erste Teil meines Laufs führt mich hinter dem Open-Air-Museum durch ein Open-Air-Wohnheim, das nun, da sich das Wetter wieder bessert, schon fast ausgebucht ist. Auf den Parkbänken mit Blick auf den Neuen See residieren diejenigen, die sich gerade noch einen Einkauf im Supermarkt leisten können und mit frischem Wein aus Tetrapaks sowie kleinen Schnapsflaschen eingedeckt haben. Auf den Parkbänken ohne Wasserpanorama dagegen liegen gefüllte Schlafsäcke, in denen ich die Besitzer nur vermuten kann. Sogar hier, im »Hotel Tiergarten«, hat sich schon eine Zweiklassengesellschaft herausgebildet.
    Die Stimme aus dem Kopfhörer informiert mich darüber, dass ich den ersten Kilometer in fünf Minuten und 24 Sekunden zurückgelegt habe. Wie bitte? Da muss ich wohl einen Schritt zulegen …
    »Entschuldigung«, spricht mich plötzlich ein älterer Läufer mit Rucksack auf dem Rücken an, der links von mir eingeschert hat und nun neben mir herjoggt. »Ist das der Weg in Richtung Süden?«
    »Keine Ahnung«, gebe ich zu,

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