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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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mitgenommen. Ich habe die Serviceleute in Ratingen kontaktiert, die hatten das fehlerhafte Gerät noch in der Werkstatt und haben für uns ein komplettes Back-up der Festplatte gezogen. Vor zehn Minuten kam das hier per Eilbote rein .«
    Wedel legte einige blau schimmernde Blue-ray Discs in transparenten Hüllen auf den Tisch.
    »Alle Kassenaufnahmen vom Samstag zwischen acht und 20 Uhr. Macht bei sechs Kameras 72 Stunden Aufzeichnung. Hatten Sie am Wochenende was Besonderes vor ?«

     
    Zwei Stunden später saß Rünz allein zu Hause beim Abendessen, seine Frau vergnügte sich bei der Jubiläumsfeier zum zweijährigen Bestehen ihrer Pilatesgruppe. Menschen feierten die seltsamsten Anlässe.
    Er öffnete eine sterile, vakuumverpackte Dose mit runden Pumpernickelscheiben und begann zu knabbern. Seine Frau hatte ihm zur Erinnerung die Antibiotika mitten auf den Tisch gestellt. Noch zehn Tage, dann hatten seine lädierten Augen die kritische Phase hinter sich und er konnte das Medikament absetzen. Aus Langeweile studierte er den Aufdruck auf der Medikamentenpackung: ›Klacid PRO – jetzt im 5 Tage Compliance Blister‹. Compliance Blister, das klang nach einer mächtigen Portion Fortschritt. Was konnte das sein, und vor allem – hatte es Nebenwirkungen? Zeile für Zeile studierte er den Beipackzettel, fand aber keinen Hinweis.
    Er ging früh zu Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf. Hovens Business-Denglisch und der Compliance Blister hatten ihn stärker beeindruckt, als er es sich in wachem Zustand hatte eingestehen wollen – er litt unter einem Albtraum der ganz besonderen Art. Einen von der tückischen Sorte, die mit der Illusion begannen, morgens aufzuwachen …

     
    Er blinzte durch die halbgeöffneten Augen, die Morgensonne schien durch das Fenster, es musste mindestens neun Uhr sein. Seine Frau saß aufrecht neben ihm im Bett, starrer Blick und Schmollmund. Sie trug ein Headset zu marineblauer Businesskleidung und tippte Buchstaben- und Zahlenkolonnen in einen BlackBerry. Unheil drohte. Er schloss wieder die Augen und stellte sich schlafend. Gab es etwas Unschuldigeres als einen schlafenden Menschen?
    »Ich weiß, dass du nicht schläfst .«
    Rünz grunzte und schnappte nach Luft. Wenn ein Grimme-Preis für die glaubwürdigste Schlafdarstellung verliehen wurde – er hatte ihn verdient.
    »Wenn wir unser Relationship Management nicht grundsätzlich neu ausrichten, werden wir beziehungsmäßig den Turnaround in diesem Jahr nicht schaffen .«
    Rünz ließ die Tarnung fallen und öffnete die bleiernen Lider.
    »Seit wann gehst du mit Hoven ins Bett ?« , knurrte er.
    Sie reagierte nicht auf seine Frage.
    »Du hast meine Emotional Requirements im vierten Quartal ’06 nur zu 79 Prozent erfüllt, und die Benchmarks für das erste Quartal ’07 deuten nicht auf einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess deinerseits hin .«
    Rünz drehte seinen Kopf und schaute auf den Nachttisch – keine Rasierklinge, kein Strick, keine Schlaftabletten, keine Ruger – nichts, womit man sich eben mal schnell das Leben nehmen konnte.
    »Nimm das nicht auf die leichte Schulter«, sagte sie. »Der Markt bietet durchaus Competitors mit guter Performance .«
    »Du meinst den sensiblen Weichspüler aus deiner Pilatesgruppe? Bis der sich aus seiner Angora-Unterwäsche gepellt hat, bist du doch in den Wechseljahren .«
    Ihre Antwort war ein Briefumschlag unter seiner Nase.
    »Ich habe hier einen Letter of Intent vorbereitet, die letzte Chance für einen erfolgreichen Relaunch unserer Relationship. Wenn du es wirklich ernst meinst, wirst du dich auf dieser Basis mit mir committen .«
    Rünz erbat sich einige Minuten Bedenkzeit, zog sich an und beschloss, erst mal Brötchen zu holen. Vor dem Haus atmete er tief durch. Was er jetzt brauchte, war ein ganz normales Gespräch mit seinem ganz normalen Bäcker um die Ecke. Er schlurfte nach Süden, überquerte die Klappacher Straße und schlich an der Natursteinmauer der Orangerie entlang bis zur Bäckerei Bormuth. Der Filialleiter sah ihn durch das Schaufenster, kam aus seinem Ladengeschäft und begrüßte ihn mit Handschlag auf dem Bürgersteig.
    »Ich grüße Sie, Herr Rünz. Darf ich Ihnen schon zum Geburtstag gratulieren ?«
    »Na ja, ist noch ein wenig hin«, stammelte Rünz.
    »Sie kommen gerade richtig! Eben haben die Roland Berger Strategy Consultants die aktuellen Ergebnisse der BBCR-Study rübergemailt .«
    »Die BBC – was ??«
    »›BBCR – Bormuth Bäckerei Client Research

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