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Binärcode

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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Study‹. Und jetzt raten Sie mal, wer mein Key Account Client Number one ist? Sie!! Kein anderer passt mit seinem Anforderungsprofil besser zu meinem Leistungsportfolio und meiner Business Strategy .«
    Nie zuvor in seinem Leben hatte Rünz sich gewünscht, auf einem Hundehaufen auszurutschen und mit dem Kopf auf der Bordsteinkante aufzuschlagen. Anforderungsprofil – meinte der Bäcker die vier Mohn- und drei Roggenbrötchen, die Rünz jeden Samstag bei ihm erwarb?
    »Wissen Sie …«, der Bäcker senkte die Stimme und nahm ihn geheimniskrämerisch beiseite, »… ich strebe Marktführerschaft für den Bereich Mohn- und Roggenbrötchen diesseits der Bessunger Straße an. Ich will die Brand ›Bormuth‹ so im Markt positionieren, dass wir hier eine Unique Selling Position gewinnen. Und da spielen Sie als Opinion Leader und Superspreader für die Meinungsbildung im Viertel natürlich eine Schlüsselrolle. Virales Marketing – Sie wissen, was ich meine ?«
    Stolz zeigte er Rünz seine neue Schaufensterauslage.
    »Schauen Sie sich das an, ich habe den ganzen Point of Sales komplett restrukturiert – alles zum Benefit des Customers !«
    Rünz staunte nicht schlecht, er sah Krapfen mit ›advanced content‹, seine Lieblingstorte Schwarzwälder Kirsch war zum ›Multilayer Blackforest Cake‹ mutiert. Der Bäcker schien sich gerade erst warmzulaufen.
    »Eins ist doch ganz klar – ohne eine systematische Evaluierung der Customer Satisfaction brauchen Sie mit Customer Relationship Management gar nicht erst anzufangen. Ganz ehrlich, Herr Rünz, wie waren Sie in den letzten Wochen mit meinen Produkten und meinem Service zufrieden ?«
    Rünz zögerte.
    »Wenn Sie mich so fragen – Anfang November letzten Jahres, da waren die Roggenbrötchen mal nicht ganz so frisch wie …«
    »Warten Sie einen Moment, ich hole den Erfassungsbogen !«
    Der Bäcker ließ ihn nicht ausreden und verschwand in seinem Laden. Rünz hatte einen Moment Zeit, durch das Schaufenster den restrukturierten point of sales in Augenschein zu nehmen. Neben der Ladentheke saß die Schwiegermutter des Filialleiters müde hinter einem aus dünnen Spanplatten zusammengezimmerten Stand, unter einem Schild mit der Aufschrift ›PPC – Pastries Competence Center‹.
    Rünz ging langsam einige Schritte zurück, wie ein Indianer beim Anblick einer Klapperschlange, dann etwas schneller, drehte sich um, fiel dann in einen Trab. Flucht. Er ignorierte den Bäcker, der ihm hinterher rief.
    Auf Höhe der Liebfrauenkirche warf ihn ein ohrenbetäubender Lärm fast aus der Bahn, irgendein akustisches Signal wie aus dem Handy eines Riesen. Er schaute sich verwirrt nach allen Seiten um, dann nach oben. Der Krach kam eindeutig aus der Glockenkammer des Kirchturms.
    »Gefällt’s Ihnen, Herr Rünz ?«
    Der Pfarrer stand in seiner Soutane am Fuß des Turmes, unter dem Arm ein Notebook, die Baseballkappe schräg übers Ohr gezogen.
    »Polyphone Klingeltöne, bei Jamba downgeloaded, in DOLBY Surround Prologic II – ich sag’ Ihnen, das ist Cutting Edge Technology! Die alten Glocken waren einfach nicht mehr State of the Art …«

     
    … ein durchdringender Ton weckte ihn mitten in der Nacht auf. Er fluchte, es war erst 23 Uhr, er hatte den Wecker falsch eingestellt. Seine Frau lag neben ihm, sein Konkurrent aus der Pilatesgruppe schien keinen starken Abend gehabt zu haben. Sie grunzte mürrisch, drehte sich auf die andere Seite und schlief weiter.
    Nach diesem zermürbenden Traum war in den nächsten zwei Stunden nicht an Schlaf zu denken. Er stand auf, zog sich seinen Morgenmantel an, ging in sein Arbeitszimmer und nahm die DVDs mit den Kassenaufzeichnungen aus seiner Aktentasche. Dann machte er es sich mit einem Pfungstädter Schwarzbier und der Fernbedienung im Wohnzimmer auf der Couch bequem. Zwölf Stunden Kassenkino – mit etwas Glück würde er sich nicht allzu viel davon anschauen müssen. Gegen 9.30 Uhr war er am Mordtag vom Parkplatz des Baumarktes zum Knell-Gelände aufgebrochen. Er selbst hatte vielleicht eine halbe Stunde in dem Geschäft verbracht. Die drei waren höchstwahrscheinlich insgesamt nicht mehr als eine Stunde dort gewesen, wenn er sich mit der eingeblendeten Uhrzeit also den Zeitraum von acht Uhr bis 10.30 Uhr vornahm, würden sie ihm wahrscheinlich nicht entwischen. Die Aufnahmen jeweils vier Kameras gleichzeitig im Splitscreen-Modus, wenn er zusätzlich die Abspielgeschwindigkeit erhöhte, war die Wahrscheinlichkeit gering, dass ihn seine Frau

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