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Binärcode

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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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Lackschaden am hinteren Stoßfänger auf, Stavenkow hat die Eigenbeteiligung für die Vollkaskoversicherung sofort anstandslos bar bezahlt. Der Europcar-Mitarbeiter hat alle drei eindeutig anhand der Fotos identifiziert .«
    »Können wir mit dem Fahrzeug noch was anfangen ?«
    »Ist inzwischen an sechs weitere Leute vermietet worden, danach jedes Mal eine komplette Grundreinigung – Spurensicherung können wir vergessen .«
    »Also sind sie von Frankfurt aus zurückgeflogen ?«
    Bunter machte eine dramatische Pause.
    »Wir haben bis heute keine Ausreisebestätigung des BGS. Wenn sie das Land wieder verlassen haben, dann nicht auf legalem Weg. Wenn nicht – ihre Visa sind noch vier Wochen gültig .«
    »Hotels, Pensionen?«
    »Keine Meldung, jedenfalls nicht unter ihren offiziellen Namen.«
    »Sie sind noch in Deutschland«, murmelte Rünz.
    »Vielleicht in Darmstadt«, schmatzte Wedel abwesend.
    Wo er recht hatte, hatte er recht. Rünz schaute auf die Uhr, es war Zeit aufzubrechen. Der Kulturabend mit seiner Frau. Auch diesen würde er überstehen.

     

     
    * * *

     

     
    Bisweilen kamen schwerste Heimsuchungen über die Menschheit – Aids, Tsunamis, Tokio Hotel und Reinhold Beckmann. Aber jenseits dieser Geißeln existierte eine Dimension des Grauens, die H. P. Lovecraft im Cthulhu-Mythos als das ›namenlose Böse‹ bezeichnet hatte. Wie nur war seine Frau auf Michael Flatley gekommen? Boten sowohl irischer Steptanz als auch keltische Musik für sich allein schon inferiore Zumutungen, so ergab eine Mischung beider, potenziert durch synchrone Darbietung einer knappen Hundertschaft an Tänzern, einen Anschlag auf vitale Lebensfunktionen. Riverdance, das war der Versuch, bei möglichst statischem Oberkörper möglichst aufgekratzte Spasmen mit den unteren Extremitäten vorzuführen. Flatley presste den immergleichen Steppstuss alle paar Jahre in einen neuen hirnrissigen Showrahmen, den er dann ›Lord of the Dance‹, ›Feet of Flames‹ oder ›Celtic Tiger‹ nannte und der so originelle Themen wie den Kampf des Guten gegen das Böse abhandelte. Er legte sich mit seiner Mannschaft furchtbar ins Zeug, mit nacktem Oberkörper, Stirnband und schwarzer Lederhose sah er aus wie eine BSE-kranke Hybridzüchtung aus Stammzellen von Fred Astaire und John Rambo. Hätten die Amerikaner statt Agent Orange diesen steppenden Faun gegen die Vietcong eingesetzt – Oliver Stone verkaufte heute wohl Donuts.
    Rünz stand in einer enthemmten Masse von Mittelschichtfrauen in den Dreißigern, deren Gesichter vor Begeisterung glühten. Sie alle schienen bereit und willig, sich dem Zeremonienmeister nach der heiligen Messe backstage hinzugeben. Rünz erwog kurz, sich die Kleider vom Leib zu reißen und seinen Schiesser Feinripp auf die Bühne zu schleudern. Nach der letzten Nummer des offiziellen Programms klatschte er demonstrativ nicht um Zugabe – es nützte nichts.
    Auf der Rückfahrt versuchte er, seine Frau mit Kommunikationsverweigerung zu bestrafen, bekam aber gleich ein Gespräch aufgedrängt.
    »Du kennst doch Klaus’ neue Freundin .«
    »Hm«, brummelte er.
    »Die Janine meine ich .«
    »Hm«, brummelte er. Strafe musste sein.
    »Die hat doch eine Katzenpension .«
    »Was du nicht sagst .«
    »Seit ein paar Wochen hat sie so eine totaaal süße kleine Siamesin, die Besitzerin hat sie einfach nicht mehr abgeholt !«
    »Einschläfern.«
    »Ich dachte, du wärst gegen die Todesstrafe !«
    »Nicht die Besitzerin, ich meine die Katze .«
    Von Weiterstadt bis zur Abfahrt Darmstadt Mitte schmollte seine Frau. Rünz’ Laune stieg wieder, Flatley verschwand langsam wie ein steppender Geist hinter einer Nebelwand.
    »Blümchen heißt sie, ist total verschmust«, sagte sie schließlich.
    Blümchen. Das war nun wirklich unterste Psychoschublade. Gib dem armen Opfer einen Namen, der böse Täter wird es als lebendiges Individuum wahrnehmen, verschonen und in sein Herz schließen.
    »Wollen wir uns Blümchen am Wochenende nicht mal anschauen ?« , fragte sie.
    Sehr gut, immer wieder den Namen des Opfers wiederholen.
    »Klar, können wir machen«, sagte Rünz. »Ich schau mir ganz gerne mal Vierbeiner im Tierheim an. Ich mag einfach das Gefühl, da wieder rauszugehen und die kleinen Kackmaschinen einfach dazulassen .«
    Sie stellte die diplomatischen Beziehungen ein, zog ihre Divisionen an der Grenze zusammen und erklärte den Krieg.
    »ICH WILL EINE KATZE.«
    Rünz legte eine Vollbremsung hin und kam auf dem Standstreifen der

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