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Binärcode

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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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schaute ihm dabei zu. Dann hatte Rünz die rettende Idee. Oskar hatte keinen Durst, musste nicht auf die Toilette, schien psychisch ausgeglichen – er würde ihn einfach hier stehen lassen und in sein Arbeitszimmer gehen, seine Frau würde sich dann später um den Kleinen kümmern. Diese Strategie hatte außerdem den Vorteil, dass Oskar das Mobiliar nicht durch Körperkontakt kontaminierte. Rünz improvisierte ein Lächeln, indem er seine Mundwinkel Richtung Ohrläppchen zog.
    »Also Oskar, die Karin wird gleich kommen. Ich geh’ mal ein bisschen arbeiten, wenn du was brauchst, dann rufst du einfach, ja? Und am besten nichts anfassen!«
    Er wollte sich gerade umwenden, als der Kleine sein Schweigen brach.
    »Mama hat gesagt, du bist Polizist !«

     
    * * *
    Der nächste Morgen begann mit dem Aufräumen des Mail-Einganges. Die Spamfilter des Netzwerks schützten die Briefkästen der Mitarbeiter des Präsidiums gewöhnlich zuverlässig, aber hin und wieder schlüpfte die eine oder andere Werbebotschaft durch, Gewinnbenachrichtigungen, Angebote für Homeshopping, Verbraucherkredite, Viagra, Haarverpflanzung – und immer wieder zuverlässige und kostspielige Methoden für Penisverlängerungen. Keine andere menschliche Schwäche schien so lukrativ zu sein wie die Urangst des Mannes, nicht hinreichend ausgestattet zu sein.
    Er ging die Spamliste durch, löschte eine Mail nach der anderen und blieb bei einem eher ungewöhnlichen Header hängen. Ein ›Gandalf‹ wollte ihm etwas erzählen über

     
    Die wahre Natur des Italieners …

     
    Er wurde neugierig. Was sollte er kaufen – Italopornos? Oder war das ein Brandbrief ostdeutscher Neonazis, die Pizzerien und italienische Eiscafés als Stachel im deutschen Volkskörper empfanden? Er öffnete die Mail, ein Dreizeiler ohne Anhang, nichts weiter.

     
    … findest Du da, wo Isis das Herz Osiris’ fand.
    Er warf den Anker ins Fleisch des Feindes.
    Frag sie nach dem delay.

     
    Rünz seufzte. Hier wollte ihm wohl jemand einen Hinweis geben, hatte aber zu viel ›Harry Potter‹ und ›Herr der Ringe‹ gelesen. Wenn es irgendetwas gab, das Nordic Walking an Dämlichkeit Konkurrenz machen konnte, dann war es das ganze Mystery- und Fantasy-Gewese um Sakrilege, Illuminaten, Heilige Grale, Ringe, Pentagramme, verschlüsselte Zeichen und Zauberwesen aus Mittelerde. Rünz leitete die Mail an Wedel weiter. Vielleicht würde ihn die Recherche nach dem Absender von seinem SV-98-Trauma ablenken. Dann kam Brecker, und beide lasen konzentriert Hovens aktuellen Blogbeitrag.
    »Was zum Teufel meint er damit ?« , fragte Brecker nachdenklich.
    »Keinen Schimmer, lass uns das noch mal genau durchgehen .«
    Rünz las den Thread noch einmal Zeile für Zeile vor, die Worte sorgfältig und übertrieben deutlich aussprechend, als wäre Brecker ein Patient in seiner Logopädie-Praxis.

     
    Von: Sven Hoven

     
    Outsourcing und Public Private Partnerships höhlen das Monopol der Polizei auf die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit und Ordnung zunehmend aus, unsere Services und Key Competences müssen sich Angebot und Nachfrage auf dem Sicherheitsmarkt stellen. Diese Entwicklung hat den Bundesinnenminister und die Innenminister der Länder veranlasst, einen Branding Process zu initialisieren, der die Marke ›Polizei‹ unverwechselbar und dominant im Security-Markt positioniert. Eine nachhaltige Neudefinition der Corporate Identity erfordert einen proaktiven Bottom-up Approach, der die Ideen und Visionen der Mitarbeiter emergetisch zusammenführt. Helfen Sie mit, den ›Freund und Helfer‹ zeitgemäß zu modernisieren. Senden Sie uns Ihre Idee für die neue Tagline der hessischen Polizei.

     
    :-((            :-(            :- |             :-)            :-))

     
    »Was soll das mit dieser ›Tagline‹ ?«
    »Ist neudeutsch, so eine Art Leitmotto, zum Beispiel ›Krombacher – Eine Perle der Natur‹ .«
    Beide schauten einige Minuten versonnen aus dem Fenster, dann ließen sie ihren Assoziationen freien Lauf, stimulierten sich gegenseitig mit ihren Einfällen und brannten ein veritables Feuerwerk an Kreativität ab. Rünz hackte die Einfälle ohne Zensurschere in die Tastatur. Nach dem Schaffensrausch lehnten sich beide entspannt zurück, Rünz klickte auf ›submit comment‹. Brecker brach auf zum Außendienst, Rünz schmökerte noch eine Stunde in den aktuellen Ausgaben von ›Visier‹ und ›Caliber‹ – es war wichtig, fachlich

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