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gemietet hat. Jurij Stavenkow, offiziell Handelsvertreter des IPOC International Growth Fund, ein russisches Telekommunikationskonglomerat mit Hauptsitz auf den Bermudas und weltweiten Tarnfirmen, die haben in einem Kölner Industriegebiet eine Briefkasten-Niederlassung. Der deutschen Botschaft in Moskau lag eine Einladung dieser Kölner Scheinfirma an Stavenkow und zwei weitere Männer vor, auf dieser Grundlage wurden die Visa ausgestellt – wir haben also drei Namen und drei Gesichter.«
Das Kassenkino vom Baumarkt hatte keine hohe Qualität, aber die Übereinstimmung war offensichtlich.
»Und jetzt wird’s spannend, die Fahrtroute …«
Bunter startete Google Maps und zoomte auf die Hauptstadt.
»Das Auto fährt zwei Kilometer vom Flughafen nach Osten, dann nach Südosten durch Wedding, passiert das Oranienburger Tor, auf der Friedrichstraße über die Spree, überquert ›Unter den Linden‹ und biegt hier links in die Behrenstraße ein. Dort parken sie für 30 Minuten .«
»Vielleicht haben die da einfach an einer Dönerbude ein Häppchen zu sich genommen. Die hatten einfach keinen Bock mehr auf Borschtsch«, nuschelte Wedel lustlos. Seit dem Debakel des SV 98 wurde er nur noch für Anwesenheit bezahlt. Abstieg in die Oberliga – eine Demütigung. Ob er sich jemals fangen würde? Er kaute an einem ›Powerbar Performance‹-Energieriegel.
»Da habe ich einen anderen Vorschlag .«
Bunter zoomte auf einen Block direkt südlich der Achse ›Unter den Linden‹.
»Die roten Dächer hier, das ist der russische Block. Hier das Hauptgebäude direkt an der Allee ist die russische Botschaft, daneben das Handelsbüro. Und auf der Südseite, wo unsere Freunde Pause gemacht haben, ist die Konsularabteilung. Der BGS überwacht den ganzen Block mit Videokameras, weil er Bedenken hat wegen tschetschenischer Terroristen. Der Konsularabteilung an der Behrenstraße widmen sich zwei Kameras, die westliche deckt den Haupteingang und einen Teil des Parkstreifens davor ab. Und jetzt gibt’s eine hübsche kleine Kinovorführung, Regie und ausführender Produzent: Bundesgrenzschutz der Bundesrepublik Deutschland, 19. Januar 2006, 12.52 Uhr .«
Bunter startete eine mpeg-Datei. Das grobkörnige Schwarz-Weiß-Bild eines breiten Bürgersteiges erschien. Von links fuhr ein dunkelgrauer Golf V ins Blickfeld und setzte rückwärts in eine Parklücke. Die Fahrertür ging auf, ein vielleicht 30‑jähriger Mann mit schwarzem Lederblouson stieg aus, drehte sich noch einmal um und sprach durch das offene Autofenster mit einem oder mehreren Mitfahrern. Dann schaute er kurz in die Überwachungskamera, ging über den Bürgersteig zum Eingang der Konsularabteilung, drückte den Summer, wartete einige Sekunden und wurde eingelassen.
»Jetzt aufpassen auf den Wagen«, sagte Bunter.
Die Karosse schwankte leicht, offenbar rutschte jemand von der Beifahrerseite auf den Fahrersitz.
»Die nächsten 20 Minuten passiert nichts, ich spule vor .«
Als Bunter den Film wieder in normaler Geschwindigkeit abspielte, ging die Kofferraumklappe auf. Jemand hatte sich von der nicht einsehbaren Beifahrerseite aus dem Wagen genähert und lud mit Schwung irgendeinen Kasten über die Laderaumkante, der nur für den Bruchteil einer Sekunde zu sehen war. Bunter klickte fünf oder sechs Einzelbilder zurück. Die Bewegungsunschärfe verbarg alle Details, aber Rünz wusste, dass in Aluminiumkoffern dieses Formats weder Schminkutensilien noch Perserkatzen transportiert wurden.
»Die Dragunov«, murmelte er.
»Richtig !« , sagte Bunter. »Die benutzen das Konsulat als Waffendepot für ihre Sondereinsätze. Danach bewegte sich der Golf über A9, A4 und A5 Richtung Südwesten zum Rhein-Main-Gebiet, Fahrtzeit insgesamt neuneinhalb Stunden, einschließlich zweistündigem Aufenthalt an der Raststätte Herleshausen .«
Er wechselte auf den digitalen Stadtplan Darmstadts.
»Von 22.10 Uhr bis 8.30 Uhr steht der Golf auf dem Messplatz, keine Ahnung, wo die Insassen die Nacht verbracht haben. Um kurz vor neun bewegen sie sich zum Baumarkt und kaufen ein, da müssen Sie sie getroffen haben. Die Experten vom Anbieter des Navigationssystems konnten sogar die Abstecher zum Knell-Gelände und zum Hundertwasserhaus exakt rekonstruieren .«
»Sind sie sofort zurück nach Berlin gefahren ?«
»Überhaupt nicht. Sie haben den Wagen noch am gleichen Tag an der Europcar-Niederlassung in der Otto-Röhm-Straße zurückgegeben. Bei der Abnahme fiel dem Angestellten ein
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