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Titel: Binärcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gude
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und Mädels vom Max-Planck-Institut in Garching haben das Gerät entwickelt, Stoiber hat ihnen dafür 2003 den Bayerischen Staatspreis um den Hals gehängt .«
    Wedel zog den Zahnstocher heraus und steckte sich den Kaugummi wieder in den Mund. Die Kartoffel warf er mit Schwung zurück auf den Teller, sodass Rünz die Sauce aufs Hemd spritzte. Ein gutes Gefühl, von seinen Mitarbeitern respektiert zu werden. Rünz verteilte mit der Serviette die Flecken, bis das Hemd aussah wie der Übungsfetzen aus einem Batikkurs seiner Frau.
    »Er warf den Anker ins Fleisch des Feindes«, murmelte er. »Das ergibt keinen Sinn. Ist der Komet der Feind ?«
    »›Frag sie nach dem Delay‹«, konterte Wedel.

     
    Ohne Teller oder Tablett setzte sich Hoven grußlos zu den beiden an den Tisch. Wedel witterte Ärger.
    »Ich geh’ dann mal an die Arbeit, Chef«, sagte er und verabschiedete sich.
    Hoven verschränkte die Arme vor der Brust und schaute Rünz schweigend beim Essen zu. Die geschlossene, abwehrbereite Sitzhaltung war untypisch für Hoven, normalerweise achtete er auf eine betont entspannte und offene Körpersprache, auch wenn ihm vor Wut schon der Schaum vor dem Mund stand. Rünz nahm ein abgenagtes Hühnerbein von seinem Teller, schaute seinem Vorgesetzten tief in die Augen und begann, mit fettglänzenden Lippen frivol auf dem Knochen herumzulutschen, als wollte er Hoven zu einem schnellen Blowjob auf der Präsidiumstoilette verführen. An den Nebentischen ging schon das Gekichere los, Hoven musste sein Schweigen brechen.
    »›Polizei Hessen – come in and schrei laut‹ – ein wirklich konstruktiver Beitrag, Herr Rünz .«
    Der Kommissar legte den Knochen zurück auf den Tisch und wischte sich die Finger ab.
    »Na ja, wir wollten mit dieser Tagline ein ironisch gebrochenes Fanal setzen, gegen die unmenschliche Behandlung der US-Gefangenen in Guan…«
    »Hören Sie mir bloß auf mit diesem Mist. Und für ›Polizei Südhessen – Dein Feind und Schleifer‹ haben Sie sicher eine ähnlich plausible Erklärung? !«
    »Nichts weiter als eine jugendlich-bissige Reprise des altbackenen und konservativen Slogans vom ›Freund und Helfer‹. Wenn Sie heute junge Menschen erreichen wollen, dann müssen Sie …«
    »… sich so einen Bockmist einfallen lassen? Und ›more fuckin shelter for ya damn niggaz‹ ist dann sicher Ihre Grußadresse an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Mi-grationshintergrund.«
    »Eben, die sollen sich nicht alleingelassen fühlen im Kampf gegen Rassisten und Neonazis .«
    »Herr Rünz, ich habe manchmal meine Zweifel, ob Sie und Ihr Schwager – dieser Brecker von der Bereitschaft ist doch Ihr Schwager? – den KVP in diesem Haus wirklich ernst nehmen .«
    »Den KV-was?«
    »Den kontinuierlichen Verbesserungsprozess.«
    »Gibt es da keinen Anglizismus für? So klingt das irgendwie nach sozialistischer Planwirtschaft, Fünfjahreszielen und Held der Arbeit .«
    »Der KVP ist Kernbaustein des japanischen Kaizen, aber ich habe nicht den Eindruck, dass Sie das wirklich interessiert .«
    »Doch doch«, schmatzte Rünz. »Die Japaner hatten uns schon immer einiges voraus – Erdbeben, Tsunamis, Harakiri, Kamikaze, rohen Fisch …«
    »Sushi ist das richtige Stichwort. Ich habe in drei Tagen einen Business Lunch mit einem gut befreundeten Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium. Wäre schön, wenn Sie auch Zeit hätten .«

     

     
    * * *

     

     
    Die plausibelste Erklärung für die soziale Interaktion in einer Ehe war das Modell einer endlosen, auf Missverständnissen basierenden Reiz-Reaktions-Kette. Ein beliebiger Schlüsselreiz – zum Beispiel ein Mann, der konzentriert Zeitung las – rief bei seiner Partnerin einen bedingten Reflex hervor – in aller Regel reden. Frauen reagierten auf die meisten Schlüsselreize ihrer Männer mit reden, aber das war ein anderes Thema. Der in seiner Konzentration gestörte Mann reagierte meist mit vertieftem Rückzug hinter die Zeitungsseiten, also der unausgesprochenen Bitte um Ruhe, forderte damit aber umso forschere Ansprache seiner Frau heraus. Die Systemtheoretiker nannten diesen Mechanismus ›positive Rückkoppelung‹ und antworteten auf Fragen nach dem Ausgang mit resigniertem Kopfschütteln oder Panik.

     
    Rünz studierte beim Frühstück die Wissenschaftsseite der ›Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung‹, er stieß auf einen Beitrag über das geplante europäische Satellitennavigationssystem Galileo.

     
    Galileo funkt nicht *
    von

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