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Binde Deinen Karren an Einen Stern

Binde Deinen Karren an Einen Stern

Titel: Binde Deinen Karren an Einen Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Lukas
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Schuldgefühlen Widerstand zu leisten, was am besten mittels Humor geschieht, der das ideale Instrument dafür ist, um Lächerlichkeiten „lächelnd“ als Lächerlichkeiten zu entlarven.
    Ein Gesprächsfragment aus der psychotherapeutischen Praxis soll eine solche Entlarvung demonstrieren:
    Frau X: „Ich glaube, ich bin an meiner Tochter schuldig geworden.“
    Ich: „Können Sie mir dies näher erklären?“
    Frau X: „Ja. Zum Beispiel hat sie oft Bronchitis, weil ich sie als Kind immer so warm angezogen habe. Jetzt ist sie zu wenig abgehärtet und erkältet sich schnell. Ich habe alles falsch gemacht …“
    Ich: „Sie haben Ihre Tochter immer sorgfältig gekleidet und im Winter warm gehalten?“
    Frau X: „Ja, so war es.“
    Ich: „Nehmen wir einmal an, Frau X, Sie hätten Ihre Tochter stattdessen recht sorglos angezogen. Sie hätten sie im Winter ohne Schal und Mütze und im Februar schon mit Kniestrümpfen herumlaufen lassen. Später hätte sie nun Bronchitis bekommen. Hätten Sie dann beruhigt gedacht, dass es an Ihnen nicht liegen könne?“
    Frau X (nachdenklich): „Das glaube ich nicht. Nein, wenn ich es recht bedenke, hätte ich wahrscheinlich auch gemeint, ich sei an ihrer Krankheit schuld, weil ich sie
nicht
genügend warm angezogen habe. Ohne Schal und Mütze – da hätte ich mir schon Vorwürfe gemacht!“
    Ich: „Verstehe ich richtig, dass Sie in jedem Fall an der Bronchitis Ihrer Tochter schuld sind, egal, was Sie getan haben?“
    Frau X (schmunzelnd): „Das ist eigentlich blöd. Man weiß ja gar nicht genau, woher die Krankheit kommt …“
    Ich: „Richtig. Auch Kinder aus einem optimalen Erziehungsmilieu sind vor Krankheit nicht gefeit. Wir sind uns also einig, dass die Bronchitis Ihrer Tochter nicht auf Ihr Schuldkonto geht?“
    Frau X (zögernd): „Ja.“
    Ich: „Ja oder nein?“
    Frau X: „Es stimmt schon, bloß mein Gefühl …“
    Ich: „Frau X, ich weiß einen guten Trick, wie Sie Ihr Gefühl überlisten können. Versuchen Sie es mit einer Gegenübertreibung. Sagen Sie zu sich selbst: ‚Unerhört, was ich für eine schlimme Mutter bin! Da habe ich doch tatsächlich meine Kleine in den kalten Jahreszeiten immer hübsch warm verpackt, damit sie als Erwachsene dauernd krank ist, was leider nicht ganz gelungen ist. Sie hat nur gelegentlich Bronchitis. Trotzdem werde ich mein Rezept an andere Mütter weitergeben, denn schließlich müssen die Ärzte ja auch etwas verdienen …‘“
    Frau X (lachend): „So ein Unsinn!“
    Ich: „Was antwortet Ihr Gefühl?“
    Frau X: „Es lacht mit mir. Ich bin wirklich erleichtert.“
    Ich: „Jetzt müssen Sie nur noch entscheiden, ob Sie sich Ihre unsinnigen Schuldgefühle weiterhin ‚als Luxus‘ leisten oder ob Sie sie endgültig ablegen wollen?“
    Frau X: „Na, für
den
‚Luxus‘ danke ich! Ich bin fürs Ablegen.“
    Ich: „In Ordnung. Unter meinem Tisch ist reichlich Platz. Ich schlage vor, sie lassen sie hier, und ich werde sie entsorgen. Doch seien Sie in Zukunft sparsam mit Selbstanklagen! Alles Böse, das Sie je
in böser Absicht
vollbracht haben, dürfen Sie gerne bereuen, aber alles Übrige liegt in der Verantwortung anderer Personen oder in des Zufalls Hand und ist nicht Ihre Sache. Werden Sie dies beherzigen?“
    Frau X: „Und ob. Das war heute ein sehr wichtiges Gespräch für mich. Und den Trick mit der Gegenübertreibung werde ich mir merken.“
    Der Einsatz von Paradoxien hat sich in der Psychotherapie vielfach bewährt. Speziell bei „irrationalen Ängsten“ und Panikzuständen, denen ein realistischer Untergrund fehlt, kann die logotherapeutische Methode der „Paradoxen Intention“ geradezu Wunder wirken. Jemand fürchtet, sich in einer Gesellschaft zu blamieren? Wohlan, hingehen mit dem festen Vorhaben, den Trottel zu spielen! Der Betreffende wird staunen, wie lässig und unverkrampft er die Zusammenkunft meistert. Jemand fürchtet, sich beim Busfahren mit Bakterien anzustecken? Wohlan, mit nackten Armen und Beinen einsteigen und allen herumschwirrenden Bakterien auf der eigenen Haut Asyl gewähren. Der Betreffende wird nicht minder staunen, wie gelassen er die Busfahrt genießt. Bei „irrationalen Spukgeistern“ weiß der Kopf längst Bescheid, weiß, dass er sich mit Unsinn herumplagt, nur die Emotionen schießen quer. Und Emotionen kann man einzig mit Gegen-Emotionen beikommen: der lächerlichen Furcht mit dem (paradox) lächerlichen Wunsch nach dem Befürchteten, der Feigheit mit dem Wagemut, der Angst vor

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