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Binde Deinen Karren an Einen Stern

Binde Deinen Karren an Einen Stern

Titel: Binde Deinen Karren an Einen Stern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Lukas
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dem Sterben mit der Auslieferung an den Tod. Uralt und weise sind die Heilsparadoxien:
    Wer sein Leben gewinnen will
,
    wird es verlieren –
    wer hingegen bereit ist
,
    es (um einer sinnvollen Sache willen) zu verlieren
,
    wird es gewinnen


Irrationale Ängste
und Vertrauenskrisen
    So absurd die anskizzierte Methodik auch dünken mag, sollte sie doch in keiner „Hausapotheke für seelische Leiden“ fehlen. Ihr Wirkstoff besteht aus einem zu erbringenden Vertrauensvorschuss, der von krank machenden Ängsten befreit und die Lebensfreude wieder ankurbelt.
    Krank machende Angst ist, wie bereits dargelegt, unangemessene, überflüssige Angst. Angst dort, wo keine Gefahr droht oder zumindest keine, der es auszuweichen lohnt. Es ist nicht die Angst vor halsbrecherischen Aktionen oder hochriskanten Geschäften, sondern die Angst vor jenen unliebsamen Überraschungen, die jede Situation nun einmal an uns herantragen kann, zum Beispiel eine unerwartete Übelkeit, ein unangenehmes Zusammentreffen, ein peinlicher Ausrutscher, ein Moment des Versagens. In der Fantasie des Überängstlichen blähen sich derlei Vorkommnisse zu gigantischen Katastrophen auf, die auszuhalten er sich nicht vorstellen kann. Er entwickelt Untergangs- und Vernichtungsvisionen, die an die Babyphase erinnern, denn für ein Baby wäre ein Nicht-erhört-Werden seiner angstvollen Verlassenheitsschreie der sichere Untergang.
    Da bei der krank machenden Angst keine echten Bedrohungen mit im Spiel sind, müsste die Harmlosigkeit des Gefürchteten eigentlich irgendwann zutage treten und die Angst auslöschen. Dass dies nicht geschieht, was heißt, dass auch mit der Zeit keine Reduzierung der Panikreaktionen zustande kommt, liegt an einem „teuflischen“ Prinzip, das in der Psychologie hinlänglich bekannt ist: Die krank machende Angst macht eben krank. Sie schwächt die Person, beraubt sie ihrer Ressourcen und sorgt für ein Abbröckeln ihrer Selbständigkeit. Damit lässt sie das Gefürchtete immer realer werden: Der Person ist immer öfter übel, sie versagt immer häufiger, sie wird immer weniger für voll genommen. Sie benimmt sich „komisch“, auffällig, und erntet dafür kaum Verständnis, eher soziale Ausklammerung, Diskriminierung, Bevormundung und eine Abstempelung als „verrückt“.
    Was ursprünglich eine Ausgeburt der Negativfantasie war, rückt bedrängend näher in echter Ungeheuerlichkeit. Wer beim Autofahren ständig bebend an Unfälle denkt, baut Unfälle. Wer beim Betreten von geschlossenen Räumen sofort an Atemnot und Herzbeklemmung denkt, prädisponiert sich für beides. Kaum schnappt er das erste Mal nach Luft, zieht ihm die Angst die Kehle ganz zu. Wer in Anwesenheit von Autoritätspersonen sogleich an einen Fauxpas denkt, der ihm passieren könnte, hat ihn eine Minute später schon begangen …
    Die Angst fackelt nicht lange, sie zieht das mit Zittern und Zagen Erwartete magnetisch an.
    Es gibt nur eine Rettung, und das ist der
Vertrauensvorschuss.
Wobei „Vorschuss“ exakt meint, was das Wort besagt, nämlich, dass er sich noch im Zustand des „Unvertrauens“, des verloren gegangenen Vertrauens, abgerungen werden muss, geradezu im Moment der ärgsten Vertrauenskrise. Ist dies ein Widerspruch? Oh ja, und was für einer! Der „Spruch der Person wider ihre irrationalen Ängste“, der gesunde Trotz des Geistes gegenüber einem entgleisten Gefühlswirrwarr. Ein Widerspruch und Widerstand, der seelische Gefängnisse sprengt und Dimensionen einer Rückkehr ins normale Leben öffnet. Wie sieht er konkret aus?
    Viktor E. Frankl hat seine Methode der „Paradoxen Intention“ folgendermaßen definiert:
Der Betreffende soll sich just dasjenige (extrem) wünschen, was er so sehr fürchtet.
Autounfälle? Na klar! Wenn, dann schon in Serie! Endlich eine kleine Abwechslung im langweiligen Straßenverkehr. Herzbeklemmung und Atemnöte? Herbei damit! Ein Sonderurlaub im Krankenhaus ist auch nicht zu verachten. Ein Fauxpas bei der Chefbesprechung? Das ist der neue Mitarbeitergag! Die Haare aller Anwesenden zum „Sträuben“ bringen, das kann nicht jeder! – Der Widerspruch darf so dumm klingen, wie er will, und mit so viel Humor gewürzt sein, als man nur aufbringen kann, Hauptsache, er übertönt das Getuschel der Angst. Und er ruft hinein ins unendliche Sein das gar nicht dumme und sehr ernst gemeinte Vorschussvertrauen eines Menschen, der plötzlich bereit geworden ist, sich dem, was er als seine Vernichtung betrachtet,

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