Binde Deinen Karren an Einen Stern
preiszugeben und sich vom tiefsten „Boden des Seins“ auffangen zu lassen. So und nicht anders geschieht Rückgewinnung des Urvertrauens.
Im Lichte des Urvertrauens wandelt sich das teuflische Prinzip in ein himmlisches. Die Person muss sich, sobald sie sich gleichsam mit sämtlichen vorgestellten Schrecknissen „einverstanden erklärt hat“ und diese sogar imaginativ drollig herbeisehnt, nicht mehr fürchten. Ohne Furcht erledigt sie ihre Aufgaben so gut, wie sie es kann, ohne verkrampft, verklemmt, paralysiert zu sein. Sie bleibt vegetativ stabil: Kein Herzklopfen, keine gepresste Atmung irritieren sie mehr. Sie verhält sich souverän im Straßenverkehr und in der Chefetage. Ihre Selbstsicherheit steigt, der Grad ihres Akzeptiert-Werdens seitens der Mitmenschen ebenfalls. Die irrationalen Ängste verlieren an Macht über sie, während ihre Zuversicht in gelingendes Leben wächst. Das alles wäre schon „himmlisch“ genug, aber Urvertrauen hat noch eine umfassendere himmlische Gabe im Beipack. Denn die Zuversicht, die es wachsen lässt, überflügelt zunehmend etwaiges Gelingen und inkludiert sogar etwaiges Misslingen. Und würde man
doch
in einen Autounfall verwickelt werden, und würde einem
doch
eine berufliche Panne unterlaufen, und würde man
doch
eine Krankheit ausbrüten, so senkt sich das Urvertrauen schützend über die Zuversicht und bewahrt sie vor dem Absturz. Der im Urvertrauen geborgene Mensch ist geborgen – komme, was wolle.
Ursprung des Urvertrauens
Das Wort „Rückgewinnung des Urvertrauens“ ist gefallen. Stellen wir noch ein paar theoretische Überlegungen dazu an. Zunächst dies: Nur ein Verlorengegangenes kann rückgewonnen werden, und jedes Verlorengegangene ist notwendigerweise ein Zuvor-Dagewesenes. Nun entspricht es der landläufigen Meinung, dass das Urvertrauen eines Menschen in seiner frühesten Kindheit angelegt wird. Dass es aus der Nestwärme eines Säuglings und Kleinkindes in seiner Familie entsteht. Dieses Denkmuster legt das Schwergewicht auf den Milieufaktor. Ängstlich und „urvertrauensschwach“ wird demzufolge derjenige, dem schon sehr früh Angst eingejagt worden ist bzw. der Grund hatte, am Angenommensein seiner selbst zu zweifeln. Hält man an dieser Position fest, muss man zu dem Schluss gelangen, dass das Urvertrauen von den Angehörigen eines Menschen erzeugt wird – oder eben in gewissen bedauerlichen Fällen nicht erzeugt wird. Die Bezugspersonen sind dann die „Produzenten“ des Urvertrauens beim heranwachsenden Menschen, gute oder schlechte „Produzenten“. Haben sie ein Kind von Anfang an zurückgewiesen und haben sie es diese Zurückweisung spüren lassen, so konnte sich bei ihm – in der Logik der genannten Schlussfolgerung – kein Urvertrauen bilden, und das Kind geht auch als Erwachsener voller Sorgen, Selbstzweifel und Ängste durchs Leben.
Demgegenüber erhebt sich die Frage, ob Urvertrauen wirklich auf das
Vertrauen zu Menschen
beschränkt ist. Ein Vertrauen, das nicht nur enttäuscht werden kann, sondern das da oder dort auch einfach nie aufgebaut worden sein kann. Ist Urvertrauen in solch engem Rahmen denkbar? Ist es nicht eher ein tiefgehendes Vertrauen zum Leben schlechthin, wie immer unsere Mitmenschen sein mögen? Ist es wirklich Spiegelbild guter oder schlechter mitmenschlicher Erfahrung, die wir einst gemacht haben, oder spiegelt sich in ihm nicht vielmehr eine
nicht
mitmenschliche Urerfahrung wider, nämlich die Erfahrung, zur Existenz gerufen worden zu sein, also teilhaben zu dürfen am Wunder der Menschwerdung und somit im metaphysischen Sinne urgewollt und urgeliebt zu sein?
In seinen berühmten „Zehn Thesen über die Person“ (aus „Der Wille zum Sinn“, Piper, München 1991) hat Viktor E. Frankl dazu Stellung genommen. Und zwar in der 10. These, welche lautet: „Die Person begreift sich selbst nicht anders denn von der Transzendenz her.“ Urvertrauen bedeutete für ihn
den bewussten oder unbewussten Bezug der Person zu ihrem Schöpfer.
Urvertrauen war für ihn gleichsam ein Synonym für die eine Seite dieses Bezuges, nämlich für den Bezug seitens der Person. Damit aber wäre Urvertrauen etwas
Ursprüngliches
, im Personsein Gelegenes, dem menschlichen Geist Eignendes („Eingehauchtes“), ein Attribut des Geistes, eben eine „Erinnerung“ des menschlichen Geistes an seinen Ursprung und seine Heimat, an das Woher und Wohin seiner Existenz. Urvertrauen wäre ein intuitives Vorwissen von etwas, um das rational
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