Binding, Tim
der brennende Busch oder das Meer, das sich teilt. Ich
war frei, frei, alles zu tun, was ich wollte, egal was. Alles würde gut werden,
das mit Carol, mit mir, mit Emily, alles. Was könnte es sonst bedeuten?
Ich zog Carol hoch in meine Arme, drehte mich mit ihr im
Kreis. Sie hatte Tränen in den Augen. Sie würde nicht sagen, was sie gedacht
hatte. Sie schämte sich. Meine Carol.
»Nicht weinen, Schätzchen. Natürlich nimmst du ihn. Mach
damit, was du willst. Aber ich bezahle, ja? Moment.« Ich stellte sie wieder auf
die Füße, griff in meine Gesäßtasche. »Hier hast du einen Hunderter. Kauf das
Beste, was du kriegen kannst. Du hast recht. Scheiß auf Bruno. Es ist
schließlich dein Hals, oder?«
Sie nickte, lächelte unter Tränen.
»Und ob es deiner ist, und ich dreh ihm seinen um, wenn er
deshalb Theater macht. Klar?«
Sie nickte wieder, traute sich kaum zu sprechen.
»Na denn, ab mit dir. Mach die Stadt unsicher, hau auf den
Putz, aber ordentlich. Versprochen?«
»Versprochen.«
Sie gab mir einen Kuss und drückte mich an sich, drückte mich
richtig fest. Wie lange war es her, seit ich so etwas das letzte Mal von ihr
bekommen hatte? Zehn Jahre? Eher zwanzig.
Ich winkte ihr durchs Fenster nach, als sie losfuhr. Ihr
Gesicht leuchtete wie von Kerzen beschienen. Ich ging in die Küche, schnitt
zwei Orangen auf und nahm sie mit zum Teich. Es war, als hätte Mini Ha Ha schon
auf mich gewartet. Sie fing an, die Orangenstücke mit der Nase durchs Wasser
zu stupsen, ein denkwürdiges Frühstück. Sie war richtig verspielt. Ich blieb
etwa zehn Minuten bei ihr, fuhr mit der Hand durchs Wasser, ließ sie nahe
herankommen. Sie mochte ja Mutter Teresa sein, aber sie war auch jung, genoss
das Gefühl der Jugend, wie die Jugend das nun mal macht.
Als ich zurück ins Haus kam, klingelte es an der Tür. Ich
lief in die Diele und öffnete mit Schwung, ohne nachzudenken.
»Tut mir leid, ich war im Garten ...«
Die Worte erstarben auf meinen Lippen. Vor mir stand Rump,
einen Hut auf dem Kopf, eine kleine Aktentasche in der Hand. Sein Anzug war
ganz zerknittert, als hätte er darin geschlafen. Auch seine Augen waren trüb.
»Adam!«, sagte ich, die Freundlichkeit in Person. »Was für
eine Überraschung. Was führt Sie zu mir um diese Zeit?«
Er zog die Nase hoch. »Ich fürchte, Mr Greenwood, heute
Morgen bin ich für Sie Detective Inspector. Darf ich reinkommen?«
ZWÖLF
» W arum
nicht?« Es war klar, warum nicht. Sein preisgekrönter Karpfen schwamm munter
in meinem Teich herum. Ich führte ihn ins Wohnzimmer.
Er nahm seinen Hut ab, schaute sich um. »Hat sich nicht
sehr verändert, seit ich zuletzt hier war, Mr Greenwood, trotz der
bedauerlichen Explosion. Erstaunlich, wie wenig von Police Constable Stone
gefunden wurde, nicht?«
»Keine Ahnung. Ich war nicht dabei.«
»Stimmt.« Er drehte den Hut in seinen Händen hin und her.
»Torvill ist noch heil, wie ich sehe, obwohl es traurig sein muss, sie tot auf
dem Kaminsims stehen zu sehen, wo sie sich doch quicklebendig im Teich tummeln
könnte.«
Ich schaute hinüber. Torvill blickte uns beide an. In den
letzten Tagen hatte ich kaum an sie gedacht, und doch kam es mir so vor, als
wäre sie bei mir gewesen, irgendwie, ein ganzes Leben lang. Ich hatte ein
schlechtes Gewissen, weil ich sie vernachlässigte, und auch weil ich einen gestohlenen
Fisch in ihren Teich gesetzt hatte. Das war nicht in Ordnung.
»Dafür sind Fische wie sie nun mal gemacht«, sagte Rump
jetzt, »dafür, dass sie in ihrer natürlichen Umgebung schwimmen, wo immer das
auch sein mag. Nehmen Sie einen Fisch aus seinem Lebensraum, was haben Sie
dann? Eine galoppierende Depression, Mr Greenwood.
Fressprobleme. Verkümmerte Flossen. Fische mögen keine
Ortswechsel. Aber das wissen Sie ja, nicht wahr?«
Er drehte sich um. Durchs Fenster konnte er die Nymphe in
ihrem T-Shirt sehen, auf ihrem Kopf Michaelas Hut, der im Wind wackelte. Der
Hut saß so schräg, dass es aussah, als würde sie nach unten in den Teich
schauen, auf das, was darin los war. Rump wirkte plötzlich ganz aufgeregt.
»Sie haben Besuch, wie ich sehe.«
»Nein, das ist bloß die Nymphe, Sie wissen schon, die mit
der fehlenden Kniescheibe? Seit Carol ihr Bein verloren hat, zieht sie ihr
gern was über. Körperliche Befindlichkeiten.«
Er blickte perplex.
»Meine Tochter«, erklärte ich, »ist zu Besuch aus Australien,
hilft mir, wieder auf die Beine zu kommen. Familie, was? Also, sind Sie privat
hier oder
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