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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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vorn.
    »Herrgott noch mal, Dad. Dann mach ich es eben.«
    »Nein!« Ich schubste sie aufs Sofa, ging auf die Knie,
schob den Kopf unter den Tisch. Das Steinchen war tatsächlich von Robin. Ich
erkannte es an dem winzigen Magneten. Carol setzte sich wieder auf.
    »Das war wirklich nicht nötig, Dad. Ich bin nämlich
durchaus beweglich.«
    »Das weiß ich doch, Liebes, aber ein Vater darf sein
Herzblatt doch auch mal verwöhnen, oder? Und es ist gar nicht so leicht, hier
drunterzukommen, selbst mit zwei Beinen.«
    Ich streckte den Arm aus, umschloss das Steinchen mit der
Faust, stand auf. Könnte ich in die Küche laufen, es austauschen, ohne dass
sie Verdacht schöpfte? Wie schnell könnte ich das schaffen? Würde sie hören,
wie ich die Tasse herunternahm? Mir fiel ein, dass ich alles gehört hatte, als
die Bowles-Tussi mir das Glas Plörre geholt hatte. Außerdem würde der Schlüssel
in der Tasse klimpern. Das würde sie auf jeden Fall hören, wissen, dass ich
irgendwas im Schilde führte. Und je mehr ich machte, desto schlimmer wäre es,
wenn ich erwischt wurde. Carol starrte mich an. Starrte ich sie an? Ich
schätze, ja. Ich hatte ein Klingeln im Kopf, das weiß ich.
    »Was ist los, Dad?« Carols Stimme war ganz leise geworden.
    »Nichts. Ich hab bloß gedacht, wie hübsch du aussiehst,
hübscher, versteh mich bitte nicht falsch, Schätzchen, aber hübscher, als ich
dich je gesehen habe.«
    Sie strich sich das Haar nach hinten. Sie sah tatsächlich
gut aus, weniger verkniffen.
    »Ich fühl mich besser, deshalb.«
    »Ja?«
    »Ja. Ich bin froh, dass ich hergekommen bin, wenn auch aus
dem falschen Grund. Ich hab das Gefühl, ich seh dich zum ersten Mal seit, ach,
keine Ahnung, wann.«
    Keiner von uns bewegte sich. Der Scrabble-Buchstabe brannte
mir ein Loch in die Hand. Jeden Augenblick würde sie mich bitten, ihn ihr zu
geben. Ein Blick darauf, und alles wäre aus und vorbei. Ich fragte mich, was es
wohl für ein Buchstabe war. M für Mörder vielleicht, L für Lügner? Vielleicht
D für Dad, für den Dad, der sie gewaltig enttäuscht hatte. Mir war, als wäre
ich am Fußboden festgeklebt. Ich dachte, wenn ich einfach gar nichts tat,
würde vielleicht alles verschwinden. Ich könnte die ganze Nacht so stehen
bleiben, wenn nötig. Ich musste sie bloß von dem Steinchen fernhalten. Alles,
meine Freiheit, meine Beziehung zu ihr, sogar meine Chancen bei Emily Prosser,
hing davon ab. Wenn es doch nur irgendeine Möglichkeit gäbe, aus der Sache
rauszukommen. Ich musste mich natürlich verhalten, das war der Schlüssel. Mich
natürlich verhalten, wo mein ganzes weiteres Leben von einem
Scrabble-Buchstaben abhing. Ein kühner Schachzug war jetzt erforderlich.
    Ich schwenkte die Faust.
    »Ich verwahr's irgendwo, wo es sicher ist, ja?« Klang
meine Stimme zu unbeschwert?
    »Nein. Gib's mir einfach. Ich fahr gleich nach Dorchester,
tagsüber shoppen, am Abend ausgehen, aber diesmal richtig. Die Mädels liegen
mir schon die ganze Zeit damit in den Ohren. Du bist doch nicht böse, oder,
wenn ich deine Emily jetzt noch nicht kennenlerne? Ich dachte, ich übernachte
da und gehe morgen früh mit dem Buchstaben zum Juwelier, lass den Anhänger
machen. Echt schade, dass es kein R ist. Dann hätte es wirklich was bedeutet.«
Sie kramte in ihrer Handtasche.
    Ich versuchte es mit einer anderen Taktik. »Wieso lässt du
dir nicht genauso ein Steinchen neu machen, mit einem R? Dann wäre es
passender, genau wie du gesagt hast. Es wäre so, als wäre er nie fortgegangen,
als wäre er immer da. Hartnäckig war er ja.«
    »Das hat seine Mum Eileen auch über ihn gesagt. Er ließ
nie locker. Nein, nein, Dad. Ich will das da, das ihm gehört hat, das er in
seiner Hand gehalten hat, nicht irgendeine blöde Kopie. Da!« Sie warf mir ihr
Portemonnaie zu. »Da ist ein Innentäschchen drin. Tu's da rein.«
    Ich öffnete den Verschluss. Ein paar Pfundmünzen, ein
Zehner im hinteren Geldscheinfach. Da war das Innentäschchen. Sollte ich den
Buchstaben reinstecken, oder konnte ich so tun, als ob? Als ich noch ein Kind
war, hatte meine Mum mir mal einen Zauberkasten geschenkt. Alakazam! hieß er,
mit einem schwarzen Umhang, einem Zauberstab und einem Handbuch, in dem alle
möglichen Tricks erklärt wurden. Ich war begeistert, und wenn es regnete, übte
ich stundenlang hier in meinem Zimmer und gab für Mum kleine Vorstellungen, zog
Taschentücher aus einem Hut, holte Pennys hinter ihrem Ohr hervor, verwandelte
den Zauberstab in einen Blumenstrauß.

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